Zahlreiche Verbesserungen an Fenstermanger, Effekten und Performance - Abgeschlankter File-
Manager und so mancher Feinschliff
Wie schnell sich die Zeiten in der Linux-Desktop-Welt doch ändern können: Vor nicht all zu langer
Zeit war KDE jener Desktop, der mit neuen Ansätzen und gröberen technologischen
Umbrüchen für so manch gepflegten Flamewar in der Community sorgte. Bei GNOME setzte man
hingegen jahrelang auf die kontinuierliche Pflege des Bestehenden.
Verkehrte Welt
Der Linux-Desktop KDE 4.7, hier im Beispiel mit dem KDE:Unstable-Repository auf openSUSE 11.4
installiert.
Mittlerweile hat sich diese Außenwahrnehmung aber beinahe zur Gänze gedreht: Während GNOME mit
GNOME3 gänzlich neue Pfade in User-Experience-Fragen beschreitet, konzentriert man sich bei KDE
auf das einst dem Mitbewerb zugeschriebene Konzept der evolutionären Verbesserungen im fixen
Zeitrahmen. Mit KDE 4.7 gibt es nun denn auch einen neuen Eintrag in der Geschichte des Linux-
Desktops, sechs Monate nach KDE 4.6 liefern die EntwicklerInnen wieder so manch neue Features für
die Software.
Fensterln
Von Haus aus entfernt Dolphin nun die Menüzeile und zeigt die Seitenspalte nur optional an, zum Vergleich
oben das alte und unten das neue Layout.
Als besonders aktiv hat sich schon in den letzten Monaten die Entwicklung rund um den KDE-eigenen
Fenstermanager KWin erwiesen, dies schreibt sich auch mit der aktuellen Release fort. So gibt es hier
gleich einen ganzen Haufen struktureller Verbesserungen, die sich neben einer gesteigerten
Performance auch in einer erweiterten Plattformunterstützung niederschlagen.
Grundlagen
Das Highlight: KWin unterstützt nun OpenGL 2 /OpenGL ES 2.0. Wichtig ist dies zunächst mal vor
allem für mobile Plattformen, deren GPUs typischerweise für OpenGL ES 2.0 optimiert sind.
Am Desktop darf man sich hingegen über die erwähnten Performanceverbesserungen freuen,
dies allerdings noch mit gewissen Einschränkungen.
Müssen dafür doch auch die Grafiktreiber Eine der - gerade langfristig - wichtigsten Neuerungen
ist die Unterstützung von OpenGL2 / OpenGL ES 2.0 beim Fenstermanager KWin.
mitspielen, was leider noch nicht bei allen der Fall ist. In einer solchen Situation wird der OpenGL2-
Support automatisch deaktiviert, wer das Ganze manuell vornehmen will, findet einen
entsprechenden Punkt in den Einstellungen.
Licht und...
Gänzlich neu gestaltet hat man das Schattensystem,das nun direkt in den Compositor gewandert hat.
Durch diesen Schritt will man nicht zuletzt die Schattendarstellung vereinheitlichen, bisher
übernahmen diese Aufgabe die diversen Window Decorators, was einen gewissen optischen
Wildwuchs zur Folge hatte. Ebenfalls nachgebessert wurde beim Blur-Effekt von KWin, vor allem der
proprietäre Nvidia-Treiber profitiert vom Support für den "Graphicssystem Raster".
Das Oxygen-Icon-Set wurde einmal mehr überarbeitet und erweitert.
Volle Konzentration
Gerade für die Spiele-Performance ist eine weitere Neuerung wichtig: Bei Programmen, die im
Vollbildschirmmodus laufen, wird nun das Compositing von Haus aus vollkommen deaktiviert.
Dies als Konsequenz daraus, dass diverse Benchmarks gezeigt haben, dass Compositing eine
negative Auswirkung auf die Performance /Framerate hat. Neben Spielen profitieren davon
natürlich auch andere Anwendungen wie der Windows API-Nachbau Wine oder Videoplayer a la VLC.
Dolphin
Mit Gwenview können zwei BIlder leicht verglichen werden.
Der Weltenbetrachter Marble kann nun auch offline Adressen suchen.
Dem in der Softwarewelt derzeit weiter grassierenden Trend zur Interface-Reduktion will
man sich offenbar auch beim Dateimanager Dolphin nicht verschließen. Dessen Oberfläche wurde gleich
in mehreren Punkte angepass. So wird die Menüzeile nicht länger von Haus angezeigt, statt
dessen gibt es platzsparend einen Menüknopf in der rechten oberen Ecke des Fensters. Wer mit diesem
Design so gar nicht leben kann oder will, kann auf Wunsch natürlich auch wieder den altgewohnten
Aufbau reaktivieren. Zusätzlich verspricht die neue Version des File Managers Verbesserungen bei der
Suche in Metadaten und eine erweiterte Integration mit Source-Code-Verwaltungssystemen.
Optisches
Auch jenseits von Dolphin bringt KDE 4.7 wieder einiges an visuellem Feinschliff: So hat man das
Oxygen-Icon-Set einmal mehr überarbeitet und erweitert. Auch das zugehörige GTK+-Theme - mit
dem sich GNOME-Anwendungen optisch bestmöglich in den KDE einfügen sollen, wurde
weiter verbessert. Außerdem hat man in einigen Bereichen an der Konsistenz zwischen
unterschiedlichen UI-Elementen gefeilt, etwa zwischen Uhr und Benachrichtigungsbereich.
Plasma
Der Login-Manager KDM versteht sich jetzt mit Grub2
Der Aktivitätsmanager von KDE nimmt in der aktuellen Release eine deutliche prominenter
Position als bisher im Panel ein, womit man das Aktivitätskonzept - zur Gruppierung
zusammenhängender Tätigkeiten / Fenster - stärker in den Vordergrund stellen will. Beim
Anwendungsstarter Kickoff wurde eine Brotkrumennavigation hinzugefügt, mit deren Hilfe
die NutzerInnen nicht zuletzt leichter auf höherer Ebenen in der Hierarchie zurückkehren können
sollen. Einige Verbesserungen gibt es bei der Netzwerkverwaltung zu vermelden, nicht zuletzt
gehört dazu die - noch experimentelle -Unterstützung für den NetworkManager 0.9, wie er
auch von GNOME3 genutzt wird.
Suche
Parallel zu KDE 4.7 gibt es mit DIgikam 2.0 auch eine neue Generation der Bildverwaltungssoftware.
Der Text-Editor Kate kann mit einem neuen Such-Plugin aufwarten, das gleichermaßen die zuletzt
benutzen Dateien als auch die Festplatte als Ganzes durchsuchen kann. Derzeit ist dieses Plugin
noch optional, mit KDE 4.8 soll es dann zur Default-Lösung werden. Darüber hinaus verspricht man
Verbesserungen beim Tab-Bar-Plugin und im Bereich Drucken. Der Sternenbetrachter KStars
bietet diverse kleinere Neuerungen, dazu gehört etwa der dynamische Wechsel zwischen dem
nativen und dem OpenGL-Rendering-Backend.
Kometenschweife werden jetzt gleich mithilfe von OpenGL gezeichnet.
Kommunikation
Der Login-Manager KDM kann jetzt auch mit der aktuellen Generation des Boot-Managers Grub (also:
Grub2) umgehen. Konkret geht es dabei um Funktionen wie die Anwahl des zunächst zu startenden
Betriebssystems - und der direkte Reboot in dieses.
Aufgewacht
Der Weltenbetrachter Marble hat eine Offline-Suchfunktion spendiert bekommen, soll also Ergebnisse
auch ganz ohne Netzanbindung liefern. Außerdem unterstützt man Sprachnavigation, es gibt eine
neuen "Wizard" zur Kartenerstellung und diverse zusätzliche Plugins.
Diverses
Mit einem sehr nützlichen neuen Feature kann der Bilderbetrachter Gwenview aufwarten: Hier können
nun zwei Bilder direkt nebeneinander verglichen werden. Kalarm weiß mit der Möglichkeit einen
Rechner zu einem vorher bestimmten Zeitpunkt automatisch aus dem Schlafzustand aufzuwecken zu
gefallen. Der universelle Dateibetrachter Okular kann zudem jetzt Verzeichnisse als Comic-Buch
interpretieren und entsprechend darstellen.
DigiKam 2.0
Parallel zu Freigabe von KDE 4.7 gibt es auch die Veröffentlichung von DigiKam 2.0 zu feiern: Die
lange erwartete, neue Generation der beliebten Bilderverwaltung kann unter anderem mit
Gesichtserkennung und einer Versionsverwaltung aufwarten. Zudem ist der Support für XMP-
"Sidecar"-Dateien hinzugekommen, größere Umbauten gab es beim Tagging und bei den
Anmerkungen zu den Fotos
Akonadi
Die schier endlose Geschichte um das Akonadi-Backend für Kontakte, Mails und Co. soll mit KDE 4.7
nun ein Ende nehmen. Zwar wird Akonadi schon seit seit einigen Monate offiziell für viele der KDE
PIM-Anwendungen genutzt, mit der Version 4.7 hofft man aber nun darauf, dass dieses Backend auch
tatsächlich von den Distributionen zum Einsatz gebracht wird. Diese hatten nämlich praktisch unisono
bislang vor diesem Schritt zurück gescheut. Neu ist zudem KMail 2, rein äußerlich hat sich dabei zwar
wenig getan, allerdings setzt jetzt auch die Mail-Anwendung des KDE-Desktops von Haus aus ganz auf
die Flexibilität von Akonadi.
Plattform
Weitere Fortschritte macht man rund um den "semantischen Desktop", so gab es bei Nepomuk
zahlreiche interne Umbauten, wodurch die Software gleichermaßen schneller und stabiler geworden
sein soll. Das Medien-Framework Phonon kann jetzt mit Events vom - eigentlich im GNOME-Umfeld
entstandenen - Zeitgeist-Framework umgehen. Das VLC-Backend sieht man erstmals als stabil an.
Qt
Die Basis von KDE bildet bekanntermaßen das Qt-Framework: Aktuell ist hier zwar weiterhin die
Version 4.7.x, bis zur Aufnahme in die diversen Distributionen wird aber aller Voraussicht nach noch Qt
4.8 nachgereicht, insofern auch darauf ein kurzer Blick. Im Vergleich zu den letzten Updates halten
sich die Neuerungen in relativ engen Grenzen, was wohl nicht zuletzt den Turbulenzen rund um Nokia
und dessen weiterer Strategie in Bezug auf das C++-Framework zuzuschreiben ist.
Umbau
So hat denn auch die Modularisierung von Qt und die Öffnung der Entwicklung im aktuellen Zyklus
eine zentrale Rolle eingenommen. Mit Lighthouse gibt es aber zumindest ein große technische
Neuerung zu berichten: Dabei handelt es sich um eine Plattform-Abstraktions -Ebene, mit deren Hilfe
die Portierung auf andere Plattformen und vor allem Grafikumgebungen erleichtert werden soll.
Insofern ist Qt Lighthouse auch ein wichtiger Schritt zur Unterstützung des potentiellen X.org-
Nachfolgers Wayland.
Verfügbarkeit
KDE 4.7 steht in Form des Source Codes von der Seite des Projekts zum Download, wie von KDE
gewohnt gibt es auch wieder Binärpakete für diverse Distributionen. Zudem wird die neue Release
wohl schon bald in die Entwicklungszweige diverser Distributionen wandern, etwa für Kubuntu 11.10
oder openSUSE 12.1. Zudem bietet openSUSE üblicherweise ein externes Repository mit der
neuesten KDE-Version an. Auch andere Distributionen wie Arch Linux haben die Pakete schon
während der Entwicklung live einfließen lassen. Zum unkomplizierten Ausprobieren bietet sich
außerdem die Live-CD von Chakra an.
Quelle : derStandard.at