[SIZE="4"][color="Red"]Auf der Weihnachtsfeier bloß nicht benehmen![/color][/SIZE]
Pünktlich zur Adventszeit geben zahlreiche Karrieremagazine Tipps, wie man sich auf der Weihnachtsfeier seines Betriebs benehmen sollte. Alles Unsinn, meint Kolumnist Tobias Schönpflug. Wenn man sich auf der Weihnachtsfeier vorbildlich benimmt, hat keiner etwas davon.
[SIZE="1"]Frohe Weihnachten! Machen Sie etwas aus der Weihnachtsfeier ...[/SIZE]
Alle Jahre wieder können Sie viel darüber lesen, wie Sie sich bei der Weihnachtsfeier zu verhalten haben: Trinken Sie wenig Alkohol! Baggern Sie Ihre Kollegin nicht an! Waschen Sie sich nicht in der Erdbeer-Bowle die Haare! Vergessen Sie diese Tipps. Ganz schnell. Denn wenn sich alle auf der Weihnachtsfeier vorbildlich benehmen, verliert sie komplett ihren Sinn. Weil eine geordnete Jahresendparty sich emotional sonst so anfühlt wie eine Mittagspause. Und die kann man auch ohne den organisatorischen Aufwand haben.
Ich erinnere mich gerne an mein erstes Betriebsfest, ein großer Ball mit mehreren tausend Menschen. Ich war Auszubildender. Mein sonst recht zurückhaltender Chef war in Hochstimmung, denn er hatte seine Taschen voll gestopft mit Gratis-Getränke-Coupons, die er großzügig an uns verteilte. Vielleicht hatte er sich vor dem Event auch eine Extra-Ration Rum genehmigt, auf jeden Fall war er mir sympathisch wie selten. Irgendwann kam der Finanzvorstand zu uns Auszubildenden rübergewankt. Warum, war natürlich keine Frage: Wir hatten die knackigsten Mädchen. Besonders eine schlanke Blondine hatte es ihm angetan. Der Mann der Zahlen fing an zu balzen. In seinem liebestollen Rausch lud er uns großzügig zu sich in die Vorstandsetage ein. Seine Lockerheit beeindruckte uns alle. Außer natürlich die Blondine, der er bald darauf anfing, eine Bulette ans Ohr zu quatschen, von wegen Praktikum und so.
Wir haben alle noch Karriere gemacht
Wir brauchten vier Leute, um ihn abzulenken und unsere Kollegin durch den Hinterausgang herauszuschleusen. Als die Damen in Sicherheit war, ging ich mit meiner Abteilungsleiterin in ihr Auto knutschen. Spätestens dann merkte ich, dass die Regel aus den Karrieremagazinen, dass man seiner Kollegin nicht im alkoholisierten Zustand an den Hintern greifen sollte, auch ihre Ausnahmen hat. Es war der Anfang einer wunderbaren Affäre, die harmonisch endete (wir fanden sogar ein anderes Pärchen, einen Vorgesetzten mit einer Auszubildenden, mit denen wir Spieleabende hätten organisieren können, aber wir hatten besseres zu tun). Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn wir uns an diesem Abend benommen hätten.
Wir haben trotzdem alle Karriere gemacht: die Blondine, meine Abteilungsleiterin, ich und so weit ich informiert bin, sogar der Finanzvorstand, den wir natürlich selbstverständlich schon in der nächsten Woche besuchten. Er konnte uns sofort überzeugen, wie unendlich deprimierend seine Arbeit ist. Und dass es nichts nützt, ein dickes Büro mit Blick über Hamburg zu haben – das hübsche Mädchen geht trotzdem lieber mit dem Spinner, der immer für sie Zeit hat, aus (mir).
Nach der Wodkarunde: Bröckchen auf dem Jackett
Dieses Jahr war die Weihnachtsfeier eine ganz besondere Herausforderung für mich. Ich war erst kurz vorher als leitender Angestellter in das Unternehmen gekommen. Viele würden mich auf der Weihnachtsfeier zum ersten Mal in Aktion erleben. Deswegen hatte ich mir zum ersten Mal in meinem Leben vorgenommen, mich auf einer Weihnachtsfeier zu benehmen. Bis zu den Wodkarunden lief es ganz gut. Obwohl ich inzwischen ein fernsehverliebter Familienvater bin, der nach einer Flasche Bier schon anfängt zu kichern.
Eine Stunde nach der Wodkarunde entdeckte ich Bröckchen auf meinem Samtjackett. Daraus schlussfolgerte ich, dass ich mich wohl ein wenig übergeben hatte. Bei dem Gedanken wurde mir übel, ich rannte durch das ganze Restaurant die Hände vor dem Mund verschränkt, dorthin, wo ich das Klo vermutete. Das nächste, woran ich mich erinnerte, war, dass ich im Taxi nach Hause fuhr.
Ich machte mir am Wochenende so meine Gedanken. Ob das alles richtig war. Ob die Karrieremagazine am Ende nicht vielleicht doch Recht hatten.
Am Montag begrüßten mich alle im Büro mit einem großen Hallo. Ein Foto von mir auf der Tanzfläche mit Dinosauriergesicht und großen, feuchten Schweißrändern um die Achsel, wurde per E-Mail auf den Unternehmensverteiler gesetzt. Seitdem habe ich viele neue Freunde auf der Arbeit gewonnen. Danebenbenehmen zahlt sich eben aus.