ZitatAlles anzeigenFrankfurt/London (Reuters) - Die Deutsche Telekom, Kabel Deutschland und Unitymedia sind Finanz- und Unternehmenskreisen zufolge am Kauf des Kabelnetzbetreibers Tele Columbus interessiert.
Die Telekom schaue sich Tele Columbus an, da der Einstieg bei einem Kabelunternehmen für den Konzern viel Sinn mache, sagten zwei mit dem Vorhaben vertraute Banker am Freitag zu Reuters. Ob die Bonner bereits eine formelle Offerte abgegeben haben, sei aber nicht bekannt.
Ein Einstieg bei dem mit 2,1 Millionen Kunden viertgrößten Kabelbetreiber des Landes wäre für die Telekom eine komplette Kehrtwende. Sie hat sich vor gut einem Jahrzehnt auf Druck der Politik von ihrem Kabelnetz trennen müssen. Nun kämpft der Dax-Konzern erbittert gegen die aufstrebenden Kabel-Konkurrenten, die ihm seit einigen Jahren zunehmend DSL-Kunden abjagen. Die Telekom wurmt besonders, dass Daten in den Kabelnetzen wesentlich schneller unterwegs sind.
Die Eigner von Tele Columbus verlangten mindestens 600 Millionen Euro, sagten zwei Insider. Das entspreche etwa dem sechs- bis siebenfachen des operativen Gewinns (Ebitda). Der Schuldenstand belaufe sich ebenfalls auf 600 Millionen Euro. Die Investmentbank Rothschild sei damit beauftragt worden, den Verkauf zu organisieren. Erschwert werde der Prozess jedoch durch die große Zahl der Gesellschafter, die bei Tele Columbus nach einer mühsamen Restrukturierung mittlerweile das Sagen haben.
Tele Columbus ist vor allem in Ostdeutschland sowie in Hessen und Nordrhein-Westfalen aktiv und der letzte der großen Kabelbetreiber, der noch zu haben ist. "Danach gibt es nichts mehr auf dem deutschen Markt", sagte einer der Eigner. Dementsprechend groß ist das Interesse in der Branche. Neben der Telekom prüften auch Unitymedia und Kabel Deutschland einen Einstieg, sagten mehrere mit dem Verkauf vertraute Personen. Kabel Deutschland schielt bereits seit Jahren auf Tele Columbus. "Die Synergien aus so einem Deal wären für Kabel Deutschland am höchsten", sagte einer der Insider. Beispielsweise bezieht Tele Columbus teilweise seine Fernsehprogramme von Kabel Deutschland. Zudem überlappen sich die Netze beider Unternehmen häufig - da lassen sich leicht Kosten sparen. Die genannten Unternehmen wollten sich nicht äußern.
KARTELLAMT KÖNNTE STRICH DURCH DIE RECHNUNG MACHEN
Alle drei Interessenten müssen aber den Einspruch des Bundeskartellamts fürchten: Die Behörde steht Übernahmen in der Kabelbranche sehr skeptisch gegenüber und lässt sich nicht in die Karten schauen, welcher Deal durchgeht und welcher nicht. "Das bleibt bis zum allerletzten Tag eine Black Box", sagte ein Insider. Insbesondere die Expansionsbestrebungen des in 13 Bundesländern vertretenen Marktführers Kabel Deutschland stoppten die Wettbewerbshüter schon einige Male. Seit kurzem hoffen die Münchner aber wieder auf eine neue Chance. Im Dezember hatten die Behörde die gut drei Milliarden Euro schwere Übernahme von Kabel BW durch Unitymedia nach monatelangem Zögern genehmigt. Unitymedia - eine Tochter des US-Konzern Liberty Global - musste dem Kartellamt aber eine Reihe von Zugeständnissen machen.
Besonders streng dürften die Kartelljuristen einen Kauf von Tele Columbus durch die Telekom prüfen. Der ehemalige Staatsmonopolist hat in Deutschland trotz jahrzehntelanger Regulierung immer noch eine machtvolle Position. Allerdings erodieren die Umsätze im Kerngeschäft mit Telefon- und Internetanschlüssen - nicht zuletzt wegen der starken Kabel-Rivalen. Seit einem Jahr drängt die Telekom deshalb darauf, dass die Kabelnetzbetreiber ihre Netze für andere Anbieter öffnen sollten. Die Regulierungsbehörde hat bisher nicht eingegriffen, da der Marktanteil der Kabelnetzbetreiber noch zu klein ist. Bei der jüngsten Erhebung der Behörde von Mitte 2011 dominierte die Telekom mit 12,1 Millionen DSL-Anschlüssen den Markt weiterhin. Zum Vergleich: Zusammen zählen alle deutschen Kabelnetzbetreiber 3,2 Millionen Breitbandkunden.
VORSPRUNG DURCH TECHNIK
Mit dem Kauf von Tele Columbus könnte die Telekom nicht nur einen lästigen Rivalen kaltstellen, sondern auch ihr eigenes Netz auf Vordermann bringen. "So kommt die Telekom auf einen Schlag an Kabel-Knowhow", sagte ein Manager aus der Branche. Die Kabelnetzunternehmen können derzeit einen technologischen Vorteil ausspielen. In den vergangenen Jahren hatten sie ihre Netze mit überschaubarem Investitionsaufwand auf 100 Mbit/s und mehr getrimmt - in Tests wurde sogar bereits das Zehnfache erreicht. Hingegen hat die Telekom die Kapazitäten ihrer DSL-Netze vollkommen ausgeschöpft - mehr als 50 Mbit/s sind nicht machbar. Will der Telefonkonzern mithalten, müsste er gleich komplett neue Glasfaserleitungen im ganzen Land verbuddeln, für einige zehn Milliarden Euro. Nach dem gefloppten Verkauf der Tochter T-Mobile USA können sich die Bonner das schlicht nicht leisten. Ein weiterer Punkt, der Tele Columbus und andere Kabelfirmen attraktiv macht, ist ihr Geschäftsmodell: Die Verträge über die Fernsehversorgung von großen Wohnblöcken laufen fünf bis zehn Jahre und bringen stetig sprudelnde Einnahmen.
Vor gut zwei Jahren war Tele Columbus knapp an der Pleite vorbeigeschrammt. Mehr als 100 internationale Gläubiger hatten der Kabelfirma Hunderte Millionen an Schulden erlassen und damit die Insolvenz abgewendet. Zugleich übernahmen sie Anfang 2011 das Ruder bei Tele Columbus, nachdem Verkaufsbemühungen mehrmals im Sande verlaufen waren. Die Vielzahl der Eigner hatte die Verhandlungen mit potenziellen Käufern erschwert. Die neue Verkaufsrunde dürfte aber übersichtlicher werden: Mittlerweile hätten sich weniger als zehn Fonds den Löwenanteil an Tele Columbus gesichert, sagte einer der Besitzer.
EXKLUSIV-Telekom pirscht sich an Tele Columbus heran | Top-Nachrichten | Reuters