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16.06.2012, 08:19Ab 2013 wollen ARD und ZDF kein Geld mehr für die Verbreitung ihrer Programme an Kabel Deutschland und Unitymedia zahlen. Dadurch würden den Kabelkonzernen 60 Millionen Euro entgehen, was sie zu verhindern versuchen.
KölnBis Ende Juni wollen ARD und ZDF die Verträge zur Weiterverbreitung ihrer Fernsehsender durch Kabel Deutschland (KDG) und Unitymedia fristgemäß kündigen. Die Öffentlich-Rechtlichen werden den beiden Konzernen ab 2013 die rund 60 Millionen Euro an sogenannten Einspeiseentgelten nicht mehr überweisen. „Für die Verbreitung unserer Programme Geld zu zahlen, ist eine Abnormität, die wir nicht länger hinnehmen wollen“, sagte ein ZDF-Manager in Köln.
Die Kabelkonzerne wollen die kompromisslose Haltung der Öffentlich-Rechtlichen nicht kampflos hinnehmen. „Alle TV-Sender zahlen Einspeiseentgelte für die Verbreitung bei Kabel Deutschland. Wir sehen keine Veranlassung, daran etwas zu ändern“, sagte Adrian von Hammerstein, Chef des größten deutschen Kabelkonzerns KDG, dem Handelsblatt. „Die Kapazität im Kabelnetz ist ein wertvolles Gut und hat - wie jede Leistung - ihren Preis“, beteuert der frühere Siemens-Manager
Auch der Konkurrent Unitymedia ist nicht bereit, die vielen Programme von ARD und ZDF ab dem nächsten Jahr kostenlos zu vertreiben. Das bestätigte Vorstandschef Lutz Schüler dem Handelsblatt. Hinter vorgehaltener Hand drohen die Kabelkonzerne der ARD und dem ZDF sogar mit einem Boykott. Sollten die Anstalten stur bleiben, werden es die Kabelriesen auf eine Machtprobe ankommen lassen. „Im schlimmsten Fall gibt es dann nicht mehr alle Sender von ARD und ZDF in unseren Netzen“, sagte ein Kabelmanager. Ob das überhaupt rechtlich möglich ist, ist umstritten.
Kabel Deutschland versucht unterdessen, den Streit herunterzuspielen. „Es ist normal, dass am Anfang von Verhandlungen die Ausgangspositionen extrem sind“, sagte von Hammerstein. Er erwartet „konstruktive Gespräche“, wie die Verhandlungsführerin der ARD, MDR-Intendantin Karola Wille, auf der Kölner Kabelmesse Anga Cable gestern zugesagt habe.
Einspeiseentgelte sind Politikum
Doch zu einem Kompromiss sind ARD und ZDF offenbar finanziell gar nicht mehr fähig. Denn die Anstalten haben bei der Finanzkommission KEF keine Finanzmittel zur Weiterverbreitung ihrer Kanäle über die Netze von KDG und Unitymedia mehr beantragt. KDG drohen so ab 2013 jährliche Einnahmen von 27 Millionen zu entgehen. Das bestätigten Unternehmensinsider.
Insbesondere das ZDF mit Intendant Thomas Bellut und seinem Technikdirektor Andreas Bereczky gelten als hartnäckige Gegner eines Ausgleichs. „Das ist eine früher politisch gewollte Subventionierung der Kabelkonzerne, damit sie ihre Netze im ländlichen Raum ausbauen. Das ist doch längst überholt“, heißt es in Mainz.
Tatsächlich sind die sogenannten Einspeiseentgelte in den 80er-Jahren aus politischen Gründen eingeführt worden. In Zeiten neuer Vertriebswege wie zum Beispiel Internetfernsehen (IPTV) erscheint es den Öffentlich-Rechtlichen nun absurd, Millionen an die Kabler zu überweisen. Die Kündigung der Kabelverträge ist für ARD und ZDF zudem politisch opportun. Denn zum Jahreswechsel wird die für alle Bürger verpflichtende, umstrittene Haushaltsgebühr eingeführt. In dieser heiklen Situation ist es für ARD und ZDF vorteilhaft, sich als sparsame Rundfunkanstalten zu profilieren.KDG und Unitymedia verweisen hingegen darauf, dass auch bei Satelliten- und digitalem terrestrischem Fernsehen (DVB-T) höhere Verbreitungskosten anfallen. „Das Kabel erreicht die meisten Zuschauer und ist dabei gleichzeitig die günstigste TV-Infrastruktur für die öffentlich-rechtlichen Sender“, sagt von Hammerstein. Während das Kabel pro Haushalt nur zwei Euro koste, seien es laut KDG bei Satelliten vier Euro und bei DVB-T 37 Euro. Sollten sich ARD und ZDF im Streit um die Einspeiseentgelte durchsetzen, hätte dies auch Auswirkungen auf die Privaten. „Wir werden das sehr genau beobachten. Die Kabelbetreiber wissen, dass damit auch das Kooperationsgefüge mit den Privaten auf dem Prüfstand steht“, sagte Pro-Sieben-Sat-1-Vorstand Conrad Albert.
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