18 Jahre nach der Wende haben viele Schüler ein völlig falsches Bild von der DDR. Laut einer Studie der Freien Universität gibt es ein gespaltenes Geschichtsbild: Während ostdeutsche Jugendliche die DDR verteidigen, sehen Gleichaltrige im Westen den SED-Staat kritischer. Doch auch sie weisen eklatante Bildungslücken auf.
Fehlendes Sachwissen und haarsträubende Klischeebilder sorgen bei vielen Schülern für eine völlige Fehleinschätzung und sozialromantische Verklärung der vor 18 Jahren untergegangenen DDR-Diktatur. Das ergab eine Studie des Forschungsverbundes SED-Staat an der Freien Universität Berlin (FU).
Was in den Köpfen beispielsweise vieler junger Berliner als DDR-Bild vorherrscht, beschreibt Forschungsleiter Klaus Schroeder resümierend so: "Es ist die Vorstellung eines ärmlichen, skurrilen und witzigen Landes, das aber irgendwie sehr sozial war." So lebe die DDR als sozial verklärte und politisch verharmloste Gesellschaft fort, sagte Schroeder. Der menschenverachtende Diktaturcharakter des SED-Staates sei erschreckend wenig präsent. "Die Jugendlichen haben keine Bewertungsmaßstäbe wie Gewaltenteilung oder die Achtung der Menschenrechte im Kopf", fasste Schroeder zusammen.
Verantwortlich dafür seien die nach wie vor bestehende DDR-Systemverhaftung vieler Elternmilieus und die DDR-freundliche Orientierung vieler ehemaliger DDR-Lehrer, die laut Schroeder die Schülerbefragungen zum Teil sogar aggressiv verhinderten und mitunter auch zu manipulieren versuchten. Auffällig sei das noch einmal stärkere Informationsdefizit bei Gesamtschülern im Gegensatz zu Gymnasiasten.
Zwischen Herbst 2005 und Frühjahr 2007 hatten er und seine Mitarbeiter in Bayern, Berlin, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen über 5000 Schüler zwischen 15 und 17 Jahren befragt. Zusätzlich zur standardisierten Befragung wurden Einzel- und Gruppengespräche mit Lehrern und einigen Hundert Schülern durchgeführt.
Nach der Studie ergibt sich für die Schüler Berlins folgendes Bild:
Als ein besonders eindrückliches Beispiel für die Desorientierung der Schüler nannte Schroeder die Kenntnisse über das ehemalige Ministerium für Staatssicherheit der DDR. In den Klassengesprächen hätten besonders die Jungen wie auch die Gesamtschüler Agentenvorstellungen à la James Bond über die Stasi geäußert. Gerade Letztere halten mit einer relativen Mehrheit von über 38 Prozent das MfS für einen normalen Geheimdienst, aber selbst gut 27 Prozent der Gymnasiasten teilen diese Position. Bei diesem Ergebnis stelle sich sehr deutlich die Frage nach der Kenntnis vieler Schüler über die "Staatssicherheit" als Repressionsorgan des SED-Staates. "Den Gesprächen konnten wir entnehmen, dass im Schulunterricht das MfS überhaupt nicht oder nur am Rande vorkam. Anscheinend haben auch einige Spielfilme, die die DDR als Klamaukveranstaltung darstellen, zu dem hier sichtbar werdenden milden Blick auf die Stasi beigetragen", sagte Schroeder bei der Vorstellung der Studie. Der preisgekrönte Spielfilm "Das Leben der Anderen" war zum Zeitpunkt der Umfrage noch nicht in den Kinos.
Abseits der harten Sachthemen fielen - wie auch schon in früheren Untersuchungen zum gleichen Thema - den Forschern die der DDR-Gesellschaft angedichteten "Bindungskräfte" auf. So glauben 59,2 Prozent (nein 32,9) der Schüler im Osten, dass die Hilfsbereitschaft in der DDR größer gewesen sei (im Westen 5,6 ja, 27,9 nein).
Das "Angst-Anpassungssyndrom des Alltags", wie es der DDR-Bürgerrechtler und erste Leiter der Stasi-Unterlagenbehörde Joachim Gauck einmal genannt hat, trägt offenbar selbst in der ersten Nachwendegeneration noch seine vergifteten Früchte.
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