Viele Bürger haben Angst vor immer mehr Befugnissen für Ermittler im Namen der Terrorbekämpfung. Das Bundeskriminalamt sieht das ganz anders: Terroristen hätten einen technischen Vorsprung durch das Internet, den es aufzuholen gelte.
Jörg Ziercke, der Chef des Bundeskriminalamts (BKA), will besser gegen Terroristen und Kriminelle ermitteln können: "Es darf keine verfolgungsfreien Räume im weltweiten Netz geben", warnte Ziercke bei der Tagung "Tatort Internet" seiner Behörde in Wiesbaden. Deshalb müsse die Polizei auf gespeicherte Telekommunikationsdaten zugreifen und Computerfestplatten online durchsuchen können. Nur mit verdeckten Ermittlungsmethoden könne die Polizei in terroristische Netzwerke eindringen.
Die umstrittene Online-Durchsuchung ist nach Zierckes Worten notwendig, um Zugriff auf anonyme Kommunikation zu erhalten: "Verschlüsselung darf in einem Rechtsstaat nicht vor Strafverfolgung schützen." Befürchtungen vor einer staatlichen "Trojaner"-Software zum Eindringen auf Computer-Festplatten trat der BKA-Chef entgegen. Das BKA werde keine "Trojaner" einsetzen, wie sie auch von Kriminellen genutzt würden. Man benötige auch keine Lücken ("Backdoors") in kommerziellen Programmen. "Wir entwickeln Software als Unikate, die auch im Hinblick auf Risiken für Betroffene überprüft werden." Eine Manipulation von Daten im Computer werde ausgeschlossen, der gesamte Vorgang werde dokumentiert und sei gerichtlich verwertbar.
BKA-Chef spricht von "Angstdebatte"
Kritikern neuer Überwachungsbefugnisse warf der BKA-Chef vor, Misstrauen gegen Sicherheitsbehörden zu verbreiten. "Die Debatte über den möglichen Missbrauch von Befugnissen, die den allgegenwärtigen Überwachungsstaat suggeriert, ist eine Angstdebatte", sagte Ziercke. "Bewusst werden die Gefahren terroristischer Bedrohung ausgeblendet und kleingeredet."
Die SPD meldete dagegen erneut erhebliche Bedenken gegen die Online-Durchsuchung an. Wie bereits bei der Speicherpflicht für Verbindungsdaten sei auch hier zu befürchten, dass der Schutz von "Berufsgeheimnisträgern" wie beispielsweise Journalisten relativiert werde, erklärte SPD-Medienpolitiker Jörg Tauss in Wiesbaden. Vor einer Regelung sollte deshalb zunächst das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Online-Durchsuchung in Nordrhein-Westfalen abgewartet werden.
Bauanleitungen für Raketen im Internet
Der israelische Kommunikationswissenschaftler Gabriel Weimann wies auf die wachsende Nutzung des Internets durch Islamisten hin. Inzwischen würden sogar spezielle Internetseiten für Kinder entwickelt, auf denen beispielsweise Computerspiele mit islamistisch-terroristischem Inhalt angeboten würden. Es sei bereits ein Video aufgetauscht, auf dem Kinder die Enthauptung einer Geisel nachspielten.
Der Journalist und Terrorismusexperte Yassin Musharbash schilderte, wie sich aus den ins Internet gestellten Terrorhandbüchern von Al Qaida eine Fernuniversität zum Erlernen des Terrorhandwerks entwickelt habe. Mit Anleitungen zum Bombenbau, zur Herstellung von Sprengstoffgürteln oder sogar von Raketen sei die Voraussetzung für die Entstehung autonomer Terrorzellen geschaffen worden. Ein solcher Trend hin zu kleinen Netzwerken bis hin zur "individuellen Selbstradikalisierung" ist nach den Worten von Hans Elmar Remberg, Vizepräsident des Bundesverfassungsschutzes, auch hierzulande zu beobachten. "Auch in Deutschland müssen wir von einem Potenzial islamistischer Selbstmordattentäter ausgehen."