[FONT="Arial Black"][SIZE="4"][color="Red"]Unwort des Jahres beleidigt viele Eltern[/color][/SIZE][/FONT]
Mit der Entscheidung, "Herdprämie" zum Unwort des Jahres zu küren, ist die Diskussion um diesen Begriff nicht abgeschlossen. Ganz im Gegenteil. Sprachexperten weisen darauf hin, dass "Herdprämie" auf dem Weg ist, "seinen ironischen Ursprung zu verleugnen". Die Folge: Das Unwort des Jahres diffamiert viele Eltern.
Mit "Herdprämie" als Unwort des Jahres 2007 haben Sprachexperten um den Frankfurter Professor Horst Dieter Schlosser einen Begriff aus der politischen Debatte über das Betreuungsgeld ausgesucht. Anders als in manchem Jahr zuvor entschieden sich die sechs Juroren bei der 17. sprachkritischen Aktion für eine Wortschöpfung, die in der öffentlichen Diskussion häufig zu hören war. „Ob es als Unwort kräftig genug ist, weiß ich nicht“, sagt der Direktor des Instituts für Deutsche Sprache, Prof. Ludwig M. Eichinger. „Es ist aber ein Wort, das man normalerweise im Rahmen politischer Polemik erwarten kann.“ Schlosser meint hingegen: „Die „Herdprämie“ ist auf dem Weg, ihren ironischen Ursprung zu verleugnen.“ Die Diffamierungsabsicht zeigten ähnliche Begriffe, die in der familienpolitischen Diskussion verwendet worden seien. Als Beispiele nannte er „Aufzuchtprämie“ und „Gluckengehalt“. Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) will das von der CSU geforderte Betreuungsgeld nach 2013 einführen. Vorrang soll der Ausbau der Betreuungsplätze haben.
Ins Gegenteil verkehrt
Der Begriff „Herdprämie“ zeige, „dass man mit Spott und Häme sehr schnell ein Eigentor schießen kann“, sagt der Bundesvorsitzende des Verbands deutscher Schriftsteller, Imre Török. „So ist aus der beabsichtigten Kritik an Missständen ein diffamierender sprachlicher Missgriff geworden.“ Die Familienpolitiker aus der SPD und sicherlich auch von den Grünen hätten mit dem Wort „eigentlich überzogene konservative und chauvinistische Vorstellungen in der Diskussion um das Betreuungsgeld verspotten und kritisieren“ wollen. „Das Wort beleidigt und diffamiert aber alle Eltern, die aus den unterschiedlichsten Gründen die Betreuung zu Hause einem Krippenplatz vorziehen, und auch die Kinder.“
Bildlich heftiger als „Herdprämie“ und als Wort kräftiger ist nach Auffassung von Eichinger der Begriff „Gebärmaschine“, den der Augsburger Bischof Walter Mixa im Streit mit den Grünen um die Familienpolitik verwendet hatte. „„Herdprämie“ erinnert so ein bisschen an das Heimchen vom Herd und an Frauenbilder, die ironisiert werden“, meint Eichinger. „Je nachdem auf welcher politischen Seite man steht, findet man es jetzt freundlich-polemisch oder entsetzlich.“
Ab in den Mülleimer
Der familienpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Johannes Singhammer, freut sich über die Wahl, das gekürte Wort sei der Unwort-Jury auch aus seiner Fraktion vorgeschlagen worden. „Der Begriff „Herdprämie“ muss ab sofort in den Sprachmülleimer wandern und auch dort für immer bleiben.“ Der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, Hartmut Koschyk, lobte, dass der „völlig inakzeptable Begriff endlich öffentlich abgelehnt worden“ sei. Seine Wirkung sei gesellschaftlich unverantwortlich und entwerte die häusliche Erziehungsleistung vieler Generationen.
Nach Ansicht der Vorsitzenden des Bundestagsfamilienausschusses, Kerstin Griese (SPD), ist der Begriff nur „eine irreführende Verniedlichung des Betreuungsgeld-Problems“. Sie selbst gebrauche das Wort deshalb nie. Der eigentliche „Unsinn des Jahres“ sei das Betreuungsgeld selbst. Denn es biete den falschen Anreiz für „bildungsferne“ Familien, ihre Kinder aus den Kitas abzumelden.
Kampfbegriff "Herprämie"
Wann der Begriff das erste Mal verwendet wurde, konnte die Unwort-Jury nicht ausmachen. Von der Leyen hatte bereits wenige Monate nach der Bundestagswahl 2005 als designierte Bundesfamilienministerin gesagt, das geplante neue Elterngeld, das seit Anfang 2007 in Kraft ist, solle „keine Herdprämie“ werden. Zu den prominenten Kritikern des Worts im Streit um einen Betreuungsbonus für Eltern, die ihre Kinder ausschließlich zu Hause erziehen, gehört der Mainzer Bischof, Kardinal Karl Lehmann. Er forderte im Sommer 2007 einen Verzicht des „Kampfbegriffs“.
„Ein ziemlich doofes Wort und wahrscheinlich böse gemeint, aber völlig unerheblich für das, was wir an Sprachverwahrlosung heute zu beklagen haben“, sagt der Präsident der Schriftstellervereinigung PEN, Johano Strasser. „Was unsere Sprache wirklich krank macht, das ist die mediale Verkürzung von Aussagen zu Kurz-Statements, das schlampige „irgendwie“, die Inflation der Superlative, die Verweigerung von Begründungen, der Zahlenfetischismus und die Scheinwissenschaftlichkeit.“ Die jährliche Kür des Unworts sei „selbst ein Symptom der Sprachverwahrlosung, die sie vorgibt heilen zu können“ und bewege sich auf dem Niveau von „Deutschland sucht den Superstar“.