Siemens trennt sich von 6800 Mitarbeitern der Telefonsparte SEN. Allein in Deutschland sind 3200 Stellen betroffen. Das Leipziger Werk soll verkauft werden. Siemens will sich in der verlustreichen Telekommunikationssparte SEN von 6800 Arbeitsplätzen trennen, den massiven Stellenabbau aber mit möglichst wenig sozialen Härten über die Bühne bringen. „Es ist nicht so, dass dort die Lichter ausgehen“, sagte Siemens-Finanzvorstand Joe Kaeser am Dienstag in München. Die zum Verkauf stehende Sparte hat derzeit noch 17 500 Arbeitsplätze. Allein in Deutschland sollen bis zu 2000 Stellen gestrichen und weitere 1200 durch Verkäufe und Partnerschaften abgespalten werden.
Betriebsbedingte Kündigungen sind bis Herbst 2009 ausgeschlossen. Siemens kündigte die Gründung einer Transfergesellschaft an. Möglichst viele betroffene Mitarbeiter sollen zudem von anderen Siemens-Bereichen übernommen werden.
Sanierung vor Verkauf
In der Sparte sollen insgesamt 3800 Stellen gestrichen und 3000 abgetrennt werden. Siemens will sich schon länger von Siemens Enterprise Communications (SEN) trennen. Nach den bitteren Erfahrungen mit der früheren Handysparte – die nur ein Jahr nach dem Verkauf an BenQ mit 3000 Mitarbeitern in Deutschland Pleite ging – will Siemens nun die Sanierung vor einem Verkauf durchziehen.
„Wir nehmen die Restrukturierung selbst in die Hand und unterstreichen damit unsere Verantwortung für die betroffenen Mitarbeiter“, sagte Kaeser. Um die Sanierung zu begleiten, sei es denkbar, dass SEN zunächst in ein Gemeinschaftsunternehmen eingebracht werde, an dem Siemens noch beteiligt ist. „Wir gehen aber davon aus, dass wir uns in absehbarer Zeit ganz zurückziehen.“ Vorstellbar sei ein Verkauf an einen Konkurrenten oder einen „verlässlichen und erfahrenen Finanzinvestor mit operativer Ausrichtung“.
Stellenabbau kostet dreistelligen Millionenbetrag
Bereits fest steht, dass in Deutschland 1200 Arbeitsplätze wegfallen, davon etwa 450 in der Zentrale in München. Bei einem Verkauf an einen Konkurrenten könnten weitere 800 Stellen durch die Nutzung von Synergien gefährdet sein, sagte Kaeser. Das Telefonwerk in Leipzig mit 530 eigenen Mitarbeitern soll verkauft werden. Eine Schließung der Fertigungsstätte schloss Kaeser aus. Eine Bestandsgarantie für das Werk im griechischen Thessaloniki wollte Kaeser dagegen nicht abgeben. „Wir können nicht ausschließen, dass wir am Ende des Tages keine Lösung finden und den Standort schließen müssen.“ Der Stellenabbau dürfte Siemens mit einen niedrigen dreistelligen Millionenbereich kosten.
Vorsteuer-Verlust von 602 Millionen Euro
Die Sparte, die Telekommunikationslösungen für Firmenkunden anbietet, hatte den Branchenwandel der vergangenen Jahre teilweise verschlafen. War früher vor allem Hardware – also Telefonanlagen – gefragt, geht es heute in erster Linie um Software-Lösungen. „Unser Marktanteil ist auf vier Prozent geschrumpft“, sagte Kaeser. Der Umsatz ging im abgelaufenen Geschäftsjahr von 3,5 auf 3,2 Milliarden Euro zurück. Der Vorsteuer-Verlust stieg zugleich von 418 auf 602 Millionen Euro.
Siemens verhandelt derzeit mit drei Interessenten über einen SEN-Verkauf. Laut Vorstandschef Peter Löscher sind die Gespräche weit fortgeschritten. Laut Branchenkreisen interessieren sich die Konkurrenten Nortel und Alcatel-Lucent sowie der Finanzinvestor Cerberus für eine Übernahme. Ziel müsse es sein, eine starke Nummer zwei auf dem Weltmarkt zu formen, sagte Kaeser. Uneingeschränkter Marktführer ist derzeit Cisco.
Scharfe Kritik der IG Metall
Die IG Metall kritisierte das Fehlen eines Gesamtkonzepts für SEN. „Nur Personal abbauen und verkaufen ist verantwortungslos“, sagte Bayerns IG-Metall-Chef Werner Neugebauer in München. Mit der vorhandenen Technologie und Kompetenz sowie etwas Geduld seien andere Perspektiven für die Beschäftigten möglich.