Hannover/Hamburg - Die Führung der Deutschen Telekom gibt sich in der Bespitzelungsaffäre wortkarg. Klar ist: Der "Rosa Riese" verfügt über die technischen Möglichkeiten, um Kunden im Stile des Großen Bruders auszuforschen - ausreichend kriminelle Energie vorausgesetzt.
Nach bisherigen Erkenntnissen hat die Telekom in den Jahren 2005 und 2006 hunderttausende Verbindungsdatensätze heimlich erhoben und von einer Berliner Beratungsfirma auswerten lassen - im Fokus standen Manager und Aufsichtsratsmitglieder des Konzerns sowie Journalisten. Damit konnten die "Schnüffler" nachvollziehen, "wer mit wem zu welchem Zeitpunkt kommuniziert", wie Andy Müller-Maguhn, Sprecher des Chaos Computer Clubs (CCC) aus Hamburg, erklärt. Auch ankommende Gespräche lassen sich problemlos protokollieren - und wem der Anschluss gehört, offenbart eine sogenannte Inverssuche. Mit Software, wie sie etwa Geheimdienste nutzten, ließe sich gar ein komplettes Kommunikationsprofil erstellen: "Dann wären nicht nur Verbindungen zwischen Mitarbeitern und Journalisten sichtbar, sondern auch das vollständige Geflecht von geschäftlichen wie privaten Beziehungen."
Auf die vielfach kritisierte Vorratsdatenspeicherung waren die Schnüffler nicht angewiesen. "Die Telekom als Netzbetreiber kann ja Aktivitäten laufend überwachen", sagt Jürgen Kuri, stellvertretender Chefredakteur des Computermagazins c't. Zudem bewahrte der T-Konzern auch zur fraglichen Zeit Verbindungsdaten bis zu 80 Tage lang auf, um Abrechnungen erstellen zu können - ausreichend Zeit, um nachträglich Informanten auf die Spur zu kommen. Die Datenmengen dürften dem Sicherheitsdienst keine Probleme bereitet haben, meint Kuri. Data- Mining-Software helfe, sich durch den Informationsberg zu graben.
Direkten Zugriff hat der Telekom-Konzern auf die Daten der eigenen Kunden. Da jedoch die Netztechnik der verschiedenen Anbieter stark verflochten ist, hält Müller-Maguhn es nicht für ausgeschlossen, dass auch Kunden anderer Betreiber ins Visier geraten sind. Dafür sei aber ein erheblich größerer Aufwand notwendig. "Die bisher bekannten Details lassen noch keine Rückschlüsse darauf zu."
Bislang ist nur die Überwachung von Verbindungsdaten bekannt. Die Telekom verfügt aber durchaus über die Mittel, um Telefonate auch gezielt abzuhören oder mitzuschneiden. Denn per Gesetz sind die Telekommunikations-Anbieter verpflichtet, Abhörschnittstellen für staatliche Ermittler einzurichten - Experten sprechen von "lawful interception". "Technisch lässt sich das auch für ungesetzliche Aktivitäten nutzen", sagt Müller-Maguhn.
"Man kann zwar nicht alle Gespräche der Telekom prophylaktisch aufzeichnen", sagt Jürgen Kuri. Dafür wäre die Datenmenge zu groß. Eine gezielte Überwachung von Anschlüssen sei aber kein Problem. Das ginge sogar automatisch - etwa mit einer Software, die mitschneidet, sobald eine Rufnummer aktiv wird. Die Sicherheitsabteilung müsste dafür jedoch interne Kontrollmechanismen aushebeln, vermutet Kuri.
Was haben die Schnüffler alles herausgefunden? Und warum wurde ein externer Dienstleister mit der Auswertung der Daten beauftragt? In der Spitzelaffäre sind viele Fragen offen. In einem ist sich Müller- Maguhn aber sicher: "Wenn man die gesetzlichen Verbote erst einmal ignoriert, sind die technischen Möglichkeiten der Überwachung sehr weitgehend." (dpa)