ZitatAlles anzeigenNeue Enthüllungen bei der Telekom: Der Konzern soll in den neunziger Jahren Kunden abgehört haben, berichten ZDF und "Wirtschaftswoche". Ziel waren angebliche Hacker - die Aktion wäre ein drastischer Verstoß gegen das Fernmeldegeheimnis. Das Unternehmen weist die Vorwürfe zurück.
Mainz - Erst ging es nur um Aufsichtsräte, Manager und Journalisten - jetzt weitet sich die Spitzelaffäre bei der Telekom aus. Das Unternehmen habe Ende 1996 unter Verletzung des Fernmeldegeheimnisses Kunden abgehört, die als Hacker verdächtigt wurden, berichten sowohl das ZDF als auch die "Wirtschaftswoche" unter Berufung auf interne Unterlagen des Konzerns. Die Telekom weist die Vorwürfe zurück.
Den Berichten zufolge soll das Unternehmen 121 Anrufe erfasst und offenbar auch die Gesprächsinhalte "technisch verfügbar gemacht" haben. Als beteiligte führende Telekom-Manager nennt die "Wirtschaftswoche" die damaligen Vorstandsmitglieder Hagen Hultzsch (Technik und Dienste) und Heinz Klinkhammer (Personal, Recht, Konzernsicherheit) sowie Gottfried Herbig und Jürgen Haag, einst Chefjustitiar und Leiter des Zentrums für Netzsicherheit - alle schweigen zu den Vorwürfen weitgehend.
Am Abend des 11. Dezember 1996 hätten Hultzsch, Haag und andere in einer Krisensitzung über Maßnahmen gegen Hacker debattiert - in einer Zeit, in der die Telekom unter Vorstandschef Ron Sommer gerade einen Monat an der Börse war und keine schlechten Nachrichten gebrauchen konnte. Es habe dann grünes Licht gegeben, vier Telefonanschlüsse von drei als Hackern verdächtigten Personen in Hennef bei Bonn "auf Überwachung zu legen". Die Überwachung habe vom 12. oder 13. Dezember bis 16. Dezember gedauert. Noch während die Aktion lief, soll Herbig laut "Wirtschaftswoche" am 13. Dezember nach Widerständen einzelner Beamter versucht haben, die Aktion durch einen Anruf beim Staatsanwalt zu legalisieren.
Am 16. Dezember habe dann die Polizei bei einem der angeblichen Hacker vor der Tür gestanden. Daraufhin habe sich herausgestellt, dass es sich bei den Überwachten gar nicht um Computer-Eindringlinge handelte, sondern um Mitarbeiter einer Spezialeinsatztruppe der damaligen Konzerntochter T-Mobil - die in Tag- und Nachtschicht dafür gesorgt hätten, dass Autofahrer beim Telefonieren auf der Autobahn nicht aus dem Netz fliegen.
Langjährige Kultur des Missbrauchs kritischer Daten?
Die neuen Enthüllungen setzen die Telekom erneut unter Druck - denn sie legen nahe, dass im Konzern schon seit vielen Jahren kritische Daten von Nutzern zu eigenen Zwecken ausgenutzt wurden. Das Unternehmen war erst vor kurzem wegen der vom SPIEGEL enthüllten Spitzelaffäre in die Schlagzeilen geraten. Die Telekom musste unter anderem zugeben, 2005 und 2006 Verbindungsdaten von eigenen Aufsichtsräten und Managern sowie Journalisten missbraucht zu haben - um herauszufinden, wer im Konzern Insiderinformationen an die Medien weiterleitete.
Der Fall aus dem Jahr 1996 geht den neuen Berichten zufolge darüber hinaus, denn nun soll es auch um Daten von einfachen Kunden gehen - nämlich der als Hacker Verdächtigten. Die Informationen über sie seien nach einem als "streng vertraulich" eingestuften Vermerk der Telekom einem externen "Monitoring-Center" zugeführt worden, berichten ZDF und "Wirtschaftswoche". Dabei habe es sich nach den Unterlagen um eine Firma für elektronische Dienstleistungen gehandelt, zu deren Kunden auch deutsche Sicherheitsbehörden zählten.
Den Berichten zufolge folgten den Überwachungsaktionen intensive Debatten über deren Rechtmäßigkeit und wie die Affäre kleinzuhalten sein würde, denn erneut fürchtete man nun Schaden für das gerade an die Börse gegangene Unternehmen. Anfang 1997 sei es in der Konzernzentrale zu Streit über die Rechtmäßigkeit der Aktion gekommen. Experten des Unternehmens hätten erklärt, bei Bekanntwerden könne die Telekom sogar den Verlust ihrer Lizenz befürchten. Es sei lange debattiert worden, wie man die Aktion straflos halten und vor der Öffentlichkeit verbergen könne.
Im Juni 1997 informierte die Telekom dann laut "Wirtschaftwoche" doch das Postministerium über "telekommunikationsdatenschutzrechtlich relevante Aufzeichnungsmaßnahmen". Der damalige Staatssekretär Gerhard Pfeffermann habe Sommer geschrieben, er halte das Vorgehen für strafrechtlich in hohem Maße bedenklich - riet aber nur zu "Unterrichtungen". Folgen habe die Rüge aber nicht gehabt, es habe keine Ermittlungen gegen Konzernmitarbeiter gegeben.
"Nach unserer Kenntnis kein Mitschnitt von Gesprächen"
Die Telekom bestritt in einer aktuellen Stellungnahme, dass tatsächlich Gespräche der vier angeblichen Hacker abgehört worden seien. Zugleich erklärte der Konzern, das Geschehen sei "nach zwölf Jahren und nach dem Ausscheiden der relevanten Personen schwer genauer zu rekonstruieren". Der Hackerangriff auf die Telekom habe im vierten Quartal 1996 die Netzsicherheit massiv bedroht. Deshalb seien Polizei und Staatsanwaltschaft eingeschaltet worden. Die Telekom habe angesichts des nach ihrer Einschätzung "unmittelbar drohenden schweren Eingriffs" in ihre Rechnersysteme "auch eigene Schritte zur Gefahrenabwehr" ergriffen. Es sei nötig gewesen, den Hackerangriff technisch zu analysieren.
"Zusätzlich soll versucht worden sein, den Datenverkehr des ISDN-Anschlusses einer als Hacker dringend verdächtigten Person aufzuzeichnen, um Steuersignale wie Hackercodes zu finden", teilte die Telekom mit. "Es erfolgte nach unserer Kenntnis kein Mitschnitt von Gesprächsinhalten." Der Fall sei vom Postministerium gerügt worden. Auch strafrechtlich sei der Vorgang überprüft worden.
Die "Wirtschaftswoche" schreibt, der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar habe angekündigt, er werde die Aufzeichnungspraxis der Telekom bei der Telefonüberwachung genauer untersuchen.
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