ZitatAlles anzeigenSieben Tage vor Beginn der Olympischen Spiele klagen ausländische Journalisten in Peking über Einschränkungen der Berichterstattung: Kein freier Zugang zum Internet, keine deutschen Tageszeitungen im Deutschen Haus. Das wird Konsequenzen haben. Sogar ein Fernseh-Boykott ist denkbar.
Organisatorisch macht den Chinesen so schnell niemand etwas vor. Die Einreiseformalitäten für das Olympia-Gastgeberland dauern nur wenige Minuten, wenig später hat der Reporter von WELT ONLINE einen ganzen Bus für sich allein und wird zum Medienhotel kutschiert.
Die Dolmetscherin, die ihn begleitet, hat aber offenbar schon erkannt, was die ankommenden Gäste wirklich bewegt. „Bei Ihnen hat die Presse mehr Freiheiten, oder?“ Die freundliche Dame ahnt da noch nicht, dass dieses Thema den in einer Woche beginnenden Olympischen Spielen jeglichen Glanz zu nehmen droht.
Pekings Führer haben den 25.000 Olympia-Journalisten das größte Medienzentrum aller Zeiten hingebaut, es bietet auf drei Stockwerken 60.000 Quadratmetern sogar Platz für Reisebüro, Massagestudios, Cafés, eine Post und eine Bankfiliale. Nur eines gibt es hier offenbar nicht: freien Internetzugang. Nirgends in China gibt es den. Seiten wie die der Falun-Gong-Bewegung, der BBC oder der Deutschen Welle sind nicht erreichbar, bei anderen werden Inhalte zensiert. Angeblich sind 30.000 Beamte mit der Überwachung beschäftigt. Themengebiete, die der Staatsmacht nicht passen, werden einfach geblockt. Auch die Auslage von deutschen Tageszeitungen im Deutschen Haus ist untersagt. Ein Beispiel: Die englischsprachige Datenbank Wikipedia ist zwar erreichbar. Sucht man dort aber nach Informationen über die Proteste am Platz des Himmlischen Friedens von 1989, erscheint eine weiße Seite. Ausländische Anbieter wie Google oder MSN zensieren inzwischen ihr chinesisches Angebot bereits freiwillig, um es sich nicht mit dem Machthaber zu verscherzen.
Nun hatte das Internationale Olympische Komitee (IOC) während der Spiele allerdings uneingeschränkte Pressefreiheit versprochen, IOC-Chef Jacques Rogge hatte das zuletzt vor zwei Wochen noch einmal in einem Interview betont. Das ist aber nun nicht der Fall. Und die Chinesen wollen auch nicht einlenken. Gesperrte Webseiten seien deswegen nicht zugänglich, weil sie gegen chinesische Gesetze verstießen, sagte Sun Weide, Sprecher des Organisationskomitees BOCOG. „Wir sind gegen jeden Versuch, die Spiele zu politisieren“. Die Zusage auf Pressefreiheit habe sich nur auf „Informationsquellen mit Olympia-Bezug“ bezogen.Rogge kann so sein Versprechen nicht einhalten und traf am Tag seiner Ankunft auf mächtigen Ärger. Medienverbände protestierten ebenso wie Menschenrechtsorganisatoren. „Wie sollen die Spiele eine Verbesserung der Menschenrechtslage bringen, wenn das IOC selbst während der Spiele die Werkzeuge des Totalitarismus blind akzeptiert?“, sagte Wolfgang Grader, Vorsitzender der Tibet Initiative Deutschland. IOC steht unter Beschuss
Auch der deutsche Chef de Mission, Michael Vesper, beschwerte sich im ZDF-Morgenmagazin: „Natürlich gehört zur Pressefreiheit auch die freie Recherchemöglichkeit. Und zu einer freien Recherche gehört heute der Zugang zum Internet. Deswegen muss das gewährleistet sein.“ Es sei Sache des IOC, dies mit den Pekinger Organisatoren zu regeln. Der Standard wie in Sydney und Athen müsse auch in Peking gelten.
„Jetzt bedarf es einer scharfen Reaktion. Sollte China nicht einlenken, plädiere ich dafür, die weltweite Übertragung der Eröffnungsfeier abzusagen“, forderte gar Peter Danckert, der Vorsitzende des Sportausschusses im Bundestag.
In Deutschland soll die ARD die Eröffnungsfeier übertragen. Dass Einschränkungen der Pressefreiheit bei den Öffentlich-Rechtlichen Rechteinhabern Folgen nach sich ziehen werden, beweist die Reaktion des ZDF-Chefredakteurs Nikolaus Brender. Er erwarte von IOC-Chef Rogge, dass er sich schnell zu den Vorwürfen äußere, wonach das Internationale Olympische Komitee (IOC) den Einschränkungen zugestimmt habe. Es müsse „eindeutig geklärt werden, ob das IOC tatsächlich die Zensur akzeptiert hat.“Und sogar innerhalb des IOC droht dem Herrn der Ringe nun eine Zerreißprobe. Der Chef der IOC-Pressekommission Kevan Gosper deutete an, dass Chinas Blockade politisch heikler Internetinhalte nur mit Wissen von IOC-Präsident Jacques Rogge hingenommen worden sein könnte. Es würde ihn wundern, wenn jemand diese Wende vollzogen habe, ohne Rogge „zumindest zu informieren“, sagte der Australier. Dass sich die grundlegenden Regeln für die Berichterstattung über Olympia geändert hätten, will Gosper erst jetzt in Peking erfahren haben. „Das muss sich auf eine Übereinkunft beziehen, an der ich keinen Anteil hatte“, sagte Gosper. Er sähe sich „ein bisschen isoliert“. Am Sonnabend beginnt eine zweitägige IOC-Vorstandssitzung, bei der die Internetzensur im Mittelpunkt stehen dürfte. Ferner dürften das Anti-Doping-Programm und die Luftverschmutzung in Peking zur Sprache kommen.
Ungeachtet der internationalen Proteste bleibt China in seiner Haltung hart. „Eine kleine Anzahl von Internetseiten wird gesperrt, weil sie gegen chinesisches Recht verstoßen“, bekräftigte Liu Jianchao, Sprecher des chinesischen Außenministerium
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