ZitatAlles anzeigenug] Hamburg - "Nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen" – unter dieser Überschrift veröffentlichte die Süddeutsche Zeitung am 31. Juli 2008 ein mit einer Berliner Oberstaatsanwältin geführtes Interview.
Darin richtet sich die Juristin gegen die Praxis so genannter Abmahnanwälte, welche über den Umweg massenhafter Strafanzeigen an die Daten von Tauschbörsen-Nutzern zum Zwecke der Abmahnung gelangen. Vor diesem Hintergrund und mit Bezug auf das grundsätzlich nicht-kommerziellen Interesse der "normalen" File Sharer stellt die Berliner Staatsanwaltschaft entsprechende Strafverfahren inzwischen grundsätzlich ein, erklärt die Oberstaatsanwältin im Gespräch.Der Focus berichtete am 4. August von Leitlinien der Generalstaatsanwälte mehrerer Bundesländer, nach denen Strafverfolgungsbehörden die Masse der Tauschbörsen-Nutzer in Ruhe lassen sollen. Gegen diese Praxis agumentiert die Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen e.V. (GVU)
Dass jedoch auch Intensivtäter mit erheblicher krimineller Energie in P2P-Netzwerken ihr Unwesen treiben und so das illegale System mit millionenfachen Downloads erst in Schwung bringen zeigen zwei Fälle der GVU: Ein Ersteinsteller des Films "Das Parfum" erhielt vor einigen Monaten eine Geldstrafe von 180 Tagessätzen durch das Amtsgericht Neuss.
In Leipzig flog diesen Monat ein Intensivtäter auf, der seit Februar 2007 mit 4,1 Terabyte ein Volumen von etwa 4 100 Filmdateien in ein BitTorrent-Netzwerk hochgeladen hatte.
Im Neusser Verfahren beschlagnahmten Beamte im Jahr 2006 neben dem Rechner auch etwa 600 gebrannte Datenträger. Vor Gericht behauptete der Angeklagte nun es handele sich um "Privatkopien". Dies mochte das Gericht nicht glauben. Da nur sieben Originale aufgefunden wurden sei es "schlechterdings nicht vorstellbar", dass der Beschuldigte sämtliche Filme von legalen Vorlagen kopiert habe – so die Begründung des Richters. Die Rechnerauswertungen durch die örtliche Kreispolizei hatte zudem die Nutzung gleich mehrerer P2P-Technologien nachgewiesen, dabei zahlreiche Indizien für rege Upload-Tätigkeiten des Rechnerinhabers mittels BitTorrent-Technologie.
Den Film "Das Parfum" hatte der Täter vier Tage nach Kinostart hochgeladen, kurz nach Auftauchen der ersten illegalen Kopie überhaupt. Im zweiten Verfahren klingelten Kriminalbeamte am Freitag, 11. Juli 2008 um 8:30 Uhr auf Betreiben der örtlichen Staatsanwaltschaft an der Tür einer Leipziger Privatwohnung. Deren Bewohner steht im dringenden Verdacht, in großem Stil illegal Film- und Gamesdateien in einem BitTorrent-Netzwerk zur Verfügung gestellt zu haben. Die Beamten erwischten ihn auf frischer Tat: Der Verdächtige ermöglichte bereits seit mehr als drei Stunden den illegalen Download der Filme "Der unglaubliche Hulk", "Hancock", "Kung Fu Panda" sowie "The Happening".
Insgesamt hielt der Beschuldigte knapp 1 400 Stunden lang Dateien in der Tauschbörse zum Download bereit. In der Szene wird dies auch als "Seeden" bezeichnet und bedeutet das Zurverfügungstellen von Raubkopien für eine breite Masse. Bis Anfang dieses Monats nutzte der Mann dafür einen bereits am 10. Juli 2008 durch die Polizei gesicherten Hochleistungsrechner in einem Thüringer Rechenzentrum.
Auf diesen so genannten Webseedserver – und damit in das BitTorrent-Netzwerk – lud der Täter im August vergangenen Jahres als einer der ersten den vollständigen und damals aktuellen Film "Die Simpsons", weshalb die GVU damals im Rahmen des Projekts "FirstSeederKill" Strafantrag stellte.
"Beide aufgeführten Verfahren richten sich gegen so genannte Facilitators und damit Tätergruppen, welche die Infrastruktur für eine massenhafte Verbreitung von Raubkopien schaffen", heißt es in einer Pressemitteilung der GVU. Beide Täter hatten Kinofilme in P2P-Netzwerken bereitgestellt, die gerade erst im Kino starteten. Solche Raubkopierer stehen im Fokus der GVU.
Mit dieser Strategie zielt die Organisation auf eine Unterbindung der illegalen Massenverbreitung zum frühstmöglichen Zeitpunkt. Dazu Christian Sommer, Vorstandvorsitzender der GVU: "Die GVU konzentriert sich in ihrem rechtlichen Vorgehen vor allem auf die Täter an der Spitze der illegalen Verbreitungspyramide, die Ausgangspunkte für die massenhaften Downloads. Die dem entgegengesetzte Praxis einiger Abmahnanwälte ist zweifelhaft und oftmals kurzsichtig."
Aber auch und gerade in Kenntnis der angespannten Personallage der Strafverfolgungsbehörden dürfen Rechteinhaber nicht schutzlos gestellt werden, so Sommer weiter. Hier seien vor allem die Gesetzgeber und die Politik in der Verantwortung. In dem Zusammenhang gibt der GVU-Vorstandsvorsitzende noch zu Bedenken, dass auch im Falle von Intensivtätern das wahre Ausmaß der Urheberrechtsverletzungen erst im Laufe des Verfahrens, nach erfolgter Durchsuchung und Rechnerauswertung, sichtbar wird.
Die laut des Magazins "Der Focus" diskutierten Grenzen von mehreren hundert oder sogar tausend getauschten Dateien für die Einleitung von Strafverfahren bewertet die GVU als äußerst kritisch. "Dies kann – und wird in vielen Fällen sicherlich auch – als Freifahrtschein für das Raubkopieren verstanden werden und setzt damit das falsche Signal", bewertet Christine Ehlers, Sprecherin der GVU, derartige Vorgaben.
Jede einzelne illegale Kopie sei eine Verletzung des Urheberrechts und müsse angemessen geahndet werden, so Ehlers weiter. "Auch wenn der illegal Downloadende für sich genommen einen kleinen Schaden verursacht, summiert sich das am Ende allein durch die enorm große Anzahl solcher File Sharer zu einem dramatisch großen Schaden", erläutert die GVU-Sprecherin. Das zeige auch eine unabhängige Studie der Universität Weimar aus dem letzten Jahr. Danach führen File-Sharing-Gewohnheiten zur Besucher- bzw. Umsatzrückgängen für Kino- und DVD-Geschäft im zweistelligen Prozentbereich.
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