Das Open-Source-Projekt Hurd setzt zum Sprung auf Debian an: Die Entwickler planen, dass ihr Kernel in einigen Monaten gleichberechtigt nebem dem Linux-Kern die Grundlage für das beliebte Betriebssystem bildet. Damit haben Nutzer dann gleich drei Kernel zur Auswahl.
Seit Jahren gehört das Betriebssystem Debian zu den beliebtesten Linux-Distributionen. Es wird häufig für den Betrieb von Servern eingesetzt, dient nebenbei aber auch als Grundlage für Ubuntu, Knoppix und andere Konkurrenten. Das offene Entwicklungsmodell von Debian sorgt dafür, dass sich grundsätzlich jeder Nutzer mit entsprechendem Wissen sein eigenes Betriebssystem nur mit der eigenen Lieblingssoftware bauen kann.
Neuer Hurd-Kernel
Eigentlich trägt das Debian-Betriebssystem den Namen "Debian GNU/Linux", der auf die Verwandtschaft der Plattform mit dem GNU-Projekt hinweisen soll. GNU steht für "GNU's not Unix" und liefert Debian zahlreiche Systemwerkzeuge, zum Beispiel einen leistungsfähigen Compiler, dem Texteditor Emacs und eine Kommandozeile für die Befehlseingabe. Innerhalb des GNU-Projekts wird mit dem Hurd-Kernel auch ein weiteres Stück Software entwickelt, das in den meisten anderen Distributionen derzeit vom Linux-Projekt geliefert wird.
Genau das könnte sich nun ändern: Die Programmierer des Hurd-Kernel planen, dass ihr Projekt innerhalb der nächsten 18 Monate Bestandteil des offiziellen Debian-Betriebssystems werden soll. Damit käme neben den GNU-Systemwerkzeugen auch der Kernel aus dem GNU-Projekt, was durchaus eine interessante Alternative zu Linux als Grundlage darstellt. Bisher gibt es bereits eine inoffizielle Variante von Debian mit dem Hurd-Kernel als ISO-Image zum Download. Wenn alles wie geplant klappt, können interessierte Nutzer mit Debian 7.0 alias Wheezy erstmals Mitte 2013 den Hurd-Kernel als offizielles Paket installieren
Für die Nutzer stellt sich dabei natürlich die Frage, ob sie dann den (auch weiterhin bevorzugten) Linux- oder Hurd-Kernel einsetzen sollen - und mit der FreeBSD-Variante von Debian gibt es noch eine dritte Möglichkeit, den Kern des Betriebssystems zu ersetzen. Die Entscheidung sollte auf Grundlage der benötigen Programme gefällt werden: Unter Linux sind 100 Prozent aller Pakete aus dem Debian-Respository nutzbar, bei der Alternative FreeBSD (Debian GNU/kFreeBSD) liegt der Wert bei beachtlichen 85 Prozent. Dagegen laufen aktuell nur 65 Prozent aller Pakete auf Hurd, sodass viele Anwendungen sich nicht starten lassen.
Diese Lücke könnte ausgerechnet Google nun schließen: Im Rahmen des sogenannten Summer of Code 2011, bei dem Google diverse Ideen für Open-Source-Projekte mit Fördergeldern unterstützt, wird die Laufzeitumgebung der Programmiersprache Java auf Hurd portiert. Der Beitrag zum GSoC-Wettbewerb stammt aus der Feder von Jeremie Koenig, einem Studenten der Universität Straßburg. Sollte die Java-Portierung erfolgreich sein, kann ein Großteil der fehlenden 35 Prozent der Debian-Pakete auch auf Hurd laufen.
Zusätzliche Treiber
Eine andere Entwicklergruppe hat es zudem vor einigen Wochen geschafft, eine Umgebung für FreeBSD- und Linux-Treiber auf Hurd zu portieren. Damit kann der Kernel auf einen Schlag aus der breiten Palette an Treibern schöpfen, um deutlich mehr Hardware als bisher zu unterstützen. Insbesondere bei modernen Grafikkarten und der hochoptimierten Energieverwaltung neuer Prozessoren sieht Hurd bisher alt aus.
Fazit
Der Linux-Kernel ist eigentlich jünger als das Hurd-Projekt, allerdings hat sich die Free Software Foundation in den letzten Jahren eher auf ersteres Betriebssystem konzentriert. Dadurch war auch das Interesse dritter Organisationen an Linux größer als an einem alternativen Kernel - doch das könnte sich jetzt wieder ändern. Die Nutzer können von dem Wettbewerb der Kernel innerhalb des Debian-Projekts nur profitieren.
Quelle : Computernews, Testberichte, Software und MP3 Download - NETZWELT