ZitatAlles anzeigen[h=1]EU-Datenschutzpaket "einfach zu kompliziert"[/h] Das Anfang des Jahres vorgestellte Datenschutzpaket, mit dem die EU den Datenschutz in Europa vereinheitlichen möchte, ist auch für Experten mitunter schwierig zu verstehen, so der Tenor bei einer EU-Datenschutztagung in Wien. Der Text sei "einfach zu kompliziert", erst recht für EU-Bürger. Auch sonst gab es einige Kritik und eine "kleine Warnung" vom EU-Parlament an Rat und Kommission.
Bei aller Kritik waren sich Datenschutzexperten, Vertreter von EU-Kommission, EU-Parlament, der heimischen Datenschutzkommission und dem Bundeskanzleramt am ersten Tag der zweitägigen Europa-Tagung "Von Jägern, Sammlern und Piraten" einig: Das EU-Datenschutzrecht muss dringend aktualisiert werden. Die aktuelle Version stammt aus dem Jahr 1995, lange bevor das Internet so stark verbreitet war. Der Weg dorthin ist aber umstritten und wird wohl auch sehr steinig werden, auch wenn der Vorschlag von EU-Kommissarin Viviane Reding grundsätzlich positiv aufgefasst wurde.
[h=2]Schwächere Richtlinie für Polizeidaten[/h]Zum Auftakt erklärte Richard Kühnel, Vertreter der EU-Kommission in Österreich, es sei schlicht "politischer Realismus" sei, dass für den Umgang mit personenbezogenen Daten für Justiz und Strafbehörden eine Richtlinie vorgestellt wurde. Auf eine verpflichtende Verordnung hätten sich die EU-Innenminister nie einigen können. "Im Rat überwiegen die, die die Interessen von Polizei und Behörden in den Vordergrund stellen", so Kühnel, wobei die Polizeichefs ihm - im Gegensatz zu den Ministerien - versichern würden, dass die Richtlinie sie nicht in ihrer Arbeit behindern würde.
Im Gegensatz zur der im Datenschutzpaket enthaltenen Datenschutz-Grundverordnung, die nach ihrer Verabschiedung direkt in jedem EU-Staat zur Anwendung kommt, muss die Richtlinie zuvor in nationales Recht umgesetzt werden. Bei der Umsetzung haben die einzelnen EU-Staaten, je nach Formulierung der Richtlinie, einigen Spielraum - an diesen Spielräumen krankt laut EU aber bereits die aktuelle Datenschutzrichtlinie, da so ein einheitlicher Standard schwerer realisierbar ist.
[h=2]EU-Parlament stellt Ultimatum[/h]Dimitrios Droutsas, Berichterstatter für die Richtlinie im EU-Parlament, kann das Argument mit der Realpolitik zwar nachvollziehen, gab aber auch zu verstehen, dass das EU-Parlament in der Datenschutzfrage feste Ziele habe. Eines davon sei, dass Verordnung und Richtlinie nur im Paket behandelt werden und das EU-Parlament sei "gewillt", das auch entsprechend zu verteidigen.
In einigen EU-Staaten werde die Richtlinie bereits angezweifelt und der Widerstand werde noch steigen, ist sich Droutsas sicher. Er sehe "ein echtes Problem auf uns zukommen", wenn Teile des Rates nicht mehr zu Gesprächen über das Datenschutzpaket bereit seien. Wenn die EU-Länder einzelne Teile aber nicht behandeln möchten, werde auch das Parlament seine Arbeit einstellen, sprach er eine "kleine Warnung an alle Interessierten" aus.
[h=2]Text schwierig zu vermitteln[/h]Obwohl der Entwurf eine gute Grundlage sei und das EU-Parlament mit vollem Engagement daran arbeite, hat Droutsas noch ein ganz anderes, grundlegendes Problem damit: "Der Text ist einfach zu kompliziert." Das Parlament habe versucht ihn zu vereinfachen, womöglich sei das aufgrund des Inhalts allerdings gar nicht möglich, so Droutsas. Es werde auf alle Fälle sehr schwierig sein, den Inhalt den EU-Bürgern so zu vermitteln, dass sie ihre Rechte auch wahrnehmen können. "Der Text bleibt für den durchschnittlichen EU-Bürger ein Rätsel", so Droutsas.
[h=2]Kritik an unpräzisen Formulierungen[/h]Der Leiter des Verfassungsdienstes, Gerhard Hesse, hat, trotz der grundsätzlichen positiven Einstellung dazu, ebenfalls Probleme mit dem Text, da ihm einige Formulierungen zu wenig eindeutig sind. Auch die Vorsitzende der Datenschutzkommission, Eva Souhrada-Kirchmayr, sieht noch Klärungsbedarf, etwa bei der sogenannten One-Stop-Lösung. Diese soll EU-Bürgern und vor allem Firmen einen einfacheren Zugang ermöglichen, da sie sich auch für EU-weite Fragen an die Datenschutzbehörde im jeweiligen Land wenden können - laut Souhrada-Kirchmayr ist das aber nicht so eindeutig, da man sich schließlich an die Behörde in jedem Land wenden können.
[h=2]So viele Fragen wie Antworten[/h]Für den EU-Rechtsexperten Christopher Kuner stellt sich ganz grundsätzlich die Frage, wieviel vom aktuellen Text am Ende der Gesetzgebung noch übrig ist und was tatsächlich umgesetzt wird. Auch er sieht das Problem, dass die EU-Bürger den Text nicht verstehen, die "Fachsprache des Datenschutz ist furchtbar". Derzeit gebe es nur eine Diskussion zwischen Kommission, Fachgruppen und Experten, der Bürger verstehe das alles gar nicht. Der ambitionierte Text werfe zudem so viele Fragen auf, wie er beantworten möchte, man werde erst bei der Verabschiedung sagen können, ob er geglückt sei.
Kuner fürchtet zudem, dass es durch zu viele Ausnahmen für die einzelnen EU-Staaten und die Kommission nicht zu einer einheitlichen Lösung kommen könnte. Das Datenschutzpaket werde jedoch nur ein Erfolg, wenn alle Mitgliedsstaaten an einem Strang ziehen und es eine "europäische Lösung" gebe. Er gab weiters zu bedenken, dass viele Daten mittlerweile nicht nur in den USA, sondern auch in China, Russland oder Indien verarbeitet werden - so gesehen müsse Datenschutz überhaupt global betrachtet werden.
[h=2]"Wir diskutieren zu früh"[/h]Nikolaus Forgo, Leiter des Instituts für Rechtsinformation an der Universität Hannover, kann ganz grundsätzlich nicht verstehen, warum gerade in einem so sensiblen Bereich wie den Polizei- und Justizdaten nur eine Richtlinie möglich sei: "Was genau sind die politischen Gründen, die das unmöglich machen?" Er zeigte einige Ungenauigkeiten im aktuellen Text auf, sieht aber grundlegende Fragen, wie dem Verhältnis des EU-Datenschutz zum Rest der Welt, nicht beantwortet. "Wir diskutieren zu früh", so Forgo, es müsste etwa geklärt werden, wie Datensicherheitsmaßnahmen tatsächlich aussehen könnten.
Nadja Igler, ORF.at
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