28. Oktober 2012, 15:12
Bis zu 400 Megabit/s wären bereits leicht möglich - Deutsche Telekom davon noch weit entfernt
Deutschlands zweitgrößter Kabelnetzbetreiber Unitymedia will nach der Fusion mit dem kleineren Rivalen Kabel BW seinen Internet-Marktanteil verdoppeln. Das seit 1. Juli verschmolzene Unternehmen habe in den drei Bundesländern, in denen es aktiv ist - Hessen, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg - einen Marktanteil bei Internetanschlüssen von knapp 20 Prozent, sagt Konzernchef Lutz Schüler in einem am Sonntag veröffentlichten Reuters-Interview. "Im Ausland haben Kabelnetzbetreiber locker 30 bis 40 Prozent und ich wüsste nicht, warum das in Deutschland nicht auch so sein sollte."
Schaffen will der Manager das vor allem mit rasend schnellen Internetanschlüssen. Nach einem langem Netzausbau - ein Viertel des Umsatzes wurde im Jahr investiert - verkauft Unitymedia Anschlüsse mit 150 Megabit/s Höchstgeschwindigkeit. Das ist wesentlich schneller als die Anbindungen, mit denen die meisten Nutzer sich zuhause ins Internet einklinken. Nach Angaben der Bundesnetzagentur waren Ende 2011 mehr als zwei Drittel aller Bundesbürger mit weniger als 10 Megabit/s online.
Investitionen
Der Investitionskurs der vergangenen Jahre zahlt sich nun aus. "Wir sind seit sechs Quartalen der am schnellsten wachsende Breitband-Anbieter in Deutschland. Und das verdanken wir der Geschwindigkeit." Der Kabelkonzern, der 6,7 Millionen Haushalte mit Fernsehen versorgt, könnte die Auffahrt auf die Datenautobahn ohne großen Aufwand auf 400 Megabit/s verbreitern - mittelfristig wäre auch 1 Gigabit/s möglich, falls es dafür eine Nachfrage gebe.
Das sind Geschwindigkeiten, von den die Deutsche Telekom nur träumen kann. Die VDSL-Internet-Anschlüsse des Bonner Konzerns kommen auf gerade einmal 50 Megabit/s. Ändern soll das eine neue Technologie namens "Vectoring", mit der eine Verdoppelung der Geschwindigkeit möglich ist. "Wir schauen uns sehr genau an, was die Telekom tut", sagt Schüler. Unitymedia sei in der Lage, auf eine mögliche Offensive des Marktführer zu antworten. "Wenn die Geschwindigkeiten von 100 Megabit/s anbieten, werden wir auf 200 Megabit/s gehen."
Anfänge
Problematisch für Unitymedia und die Telekom: An den Kunden ging der Wettlauf um die schnellsten Internetleitung bislang vorbei. Nach Angaben der Bundesnetzagentur weisen erst 0,4 Prozent aller Anschlüsse in Deutschland Geschwindigkeiten von 100 Megabit/s und mehr auf. Der Unitymedia-Chef lässt sich davon nicht entmutigen. Die Vergangenheit zeige, das früher oder später wegen neuer Anwendungen jede angebotene Geschwindigkeit auch ausgenutzt werde, betont er.
Seine Erfahrungen sammelte der Zwei-Meter-Mann vor allem bei O2. Der studierte Betriebswirt baute den Mobilfunkbetreiber in den 90ern mit auf ("Ich war Mitarbeiter Nummer 60"), trieb die Einführung des ersten Festnetz-Flatrate, der sogenannten "Home Zone" voran, und stieg zum Marketingchef auf. Später stemmte er für O2 die Integration des DSL-Anbieters ins Unternehmen. Anfang 2011 übernahm er bei Unitymedia die Führung und hatte bald seine schwerste Aufgabe vor sich. Das Kartellamt wollte eigentlich die 3,2 Milliarden-Euro-Übernahme des Rivalen Kabel BW kippen. Doch Schüler machte eine Reihe von Zugeständnissen, die die Bonner Behörde umstimmten. Im Dezember 2011 bekam der Deal grünes Licht.
Verhältnisse
Unitymedia und Kabel BW gehören zum US-Kabelriesen Liberty Global, der mit 21.000 Mitarbeitern auf zehn Milliarden Dollar Umsatz kommt und großen Übernahmeappetit hat. Jüngster Streich ist ein Angebot für den Komplettkauf der belgischen Telenet. Ähnlich wie ein Finanzinvestor finanzierte Liberty den Kauf von Kabel BW und Unitymedia größtenteils über Kredite, die dem gekauften Unternehmen aufgeladen werden. Das funktioniert bei Kabelfirmen gut, da ihr Geschäft hochprofitabel und vor allem auf Jahre hin berechenbar ist. Bei Marktführer Kabel Deutschland, der vor dem Börsengang einer Beteiligungsfirma gehörte, war es ähnlich.