Bochum. Schon die reinen Zahlen sind eindrucksvoll, die Logistik, die sich dahinter verbirgt, lässt Gigantisches erahnen
Am 18.Juli 2010 wird die Autobahn 40 zwischen Dortmund und Duisburg auf einer Länge von 60 Kilometern für ein ganztägiges Kulturspektakel voll gesperrt.
"Still-Leben" heißt das Projekt sinnfällig, das ganz sicher das aufwändigste und zugleich publikums-intensivste Ereignis im Rahmen des Kulturhauptstadtjahres 2010 im Ruhrgebiet wird. Die Idee stammt von Fritz Pleitgen, dem Chef der Ruhr 2010 GmbH, und allmählich wird aus dem visionären Einfall eine ernste Aufgabe: 300 000 Menschen sollen mitten auf der Autobahn an 60 000 Tischen Platz nehmen, sollen essen, trinken, singen und fröhlich sein. Dazu werden noch weit über eine Million Besucher erwartet, die den mutmaßlich längsten Tisch der Welt mit seinem multikulturellen Charme selbst in Augenschein nehmen wollen.
Jürgen Fischer, Kulturhauptstadt-Programmdirektor, schwärmt schon jetzt von einem "innerstädtischen Boulevard", auf dem sich Städte und Kulturen eng verbinden werden. Nicht Hoch-, sondern Alltagskultur soll sich entfalten. Die Tischgäste sollen ihr Essen selbst mitbringen, für Getränke (zum Verkauf) wird gesorgt. Alle anderen kommerziellen Aktivitäten werden verboten sein. "Schon jetzt", so Fischer, "haben Kegelclubs, Kindergärten und Karnevalsvereine um entsprechende Tischreservierungen gebeten. Aber das können wir erst Anfang 2009 regeln. Zuvor muss noch so einiges geklärt werden."
Michael Townsend, Kulturdezernent der Stadt Bochum, betont, dass das Projekt "Still-Leben" alles beinhaltet, was ein Kulturhauptstadt-Konzept verlangt: "Dieses Ereignis ist modellhaft für das friedliche Zusammenleben. Es vernetzt Orte und Menschen, und es ist interdisziplinär." Und ehrlich fügt er auch hinzu: "Aber es ist durchaus noch erklärungsbedürftig."
Ein komplettes Verkehrsplanungssystem ist natürlich notwendig und bereits in Arbeit. Die Menschenmassen müssen schließlich irgendwie bewegt werden. Dazu wird auch eine Seite der Autobahn dienen: "Alles, was Räder hat, aber keinen Motor, darf sich hier aufhalten", erklärt Jürgen Fischer die Planung: "Auf der anderen Seite stehen dann die Tische, und man wird an bestimmten Punkten hinüberwechseln können."
Für den Bochumer Stadtbaurat Ernst Kratzsch ist "Still-Leben" nur ein Teil des gesamten A 40-Projekts. Neben zahlreichen Künstler-Aktionen rund um die Autobahn sollen auch auf einer Breite von 500 Metern die geografischen "Seitenstreifen" architektonisch bis zum Kulturhauptstadt-Jahr sichtbar aufgewertet werden. "Wir stoßen eine neue Identifizierung des Ortes an", sagt Kratzsch und spricht von einem "Design- und Gestaltkanon, der mithilfe von Wettbewerben, Fördermitteln und kommunalem Engagement eine deutliche Aufwertung der A 40 bringen soll. Gebäude, Brücken, Grüngestaltung, alles kommt auf den Prüfstand möglicher Verbesserung. Dezernent Kratzsch: "Es gilt, ein visuelles Konzept zu erstellen, den Lebensraum entlang der A 40 attraktiver und signifikanter zu machen."
All das wird am 18. Juli 2010 in der "Still-Leben"-Aktion gipfeln. Noch sind viele Fragen offen, und eine Garantie für den erhofften Erfolg gibt es auch nicht. Eines aber stehe schon jetzt unumstößlich fest, verspricht Jürgen Fischer: "Diese Autobahn-Sperrung wird stattfinden."
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