München - ProSiebenSat.1 ist derzeit Deutschlands größte Medienbaustelle. Kaum ein Unternehmen hat in den vergangenen Monaten einen derart radikalen Wandel durchgemacht wie der Münchner TV- Konzern.
Der überraschende Abgang von ProSiebenSat.1-Chef Guillaume de Posch am Dienstag markiert nur den Höhepunkt eines Umbauprozesses, der mit dem Verkauf des Unternehmens durch den Medienunternehmer Haim Saban an die Finanzinvestoren KKR und Permira Ende 2006 seinen Anfang genommen hat. Doch wohin die Reise geht und wer künftig das Ruder bei ProSiebenSat.1 übernehmen soll, ist derzeit noch völlig unklar.
De Posch selbst ließ sich mit den Worten zitieren, nach der Übernahme der skandinavischen Senderkette SBS im vergangenen Jahr sei jetzt der richtige Zeitpunkt, "eine neue Herausforderung zu suchen". In Branchenkreisen wird diese Version allerdings angezweifelt. "Das war nicht de Poschs Entscheidung. Der ist rausgeschossen worden", sagt ein Branchenkenner. "Ich könnte mir vorstellen, dass KKR und Permira zu sehr mitreden wollten", meint Analysten Iris Schäfer von der LBBW. Ein Sprecher von ProSiebenSat.1 beteuerte, mit möglichen Unstimmigkeiten zwischen de Posch und den Mehrheitseigentümern habe das Ausscheiden des Konzernchefs nichts zu tun.
In den letzten Wochen jedenfalls war Aufsichtsratschef Götz Mäuser, seines Zeichens Partner bei Permira, zunehmend in Erscheinung getreten. Bei einem Pressegespräch wenige Tage vor der Hauptversammlung hatte er das Wort geführt. Unter anderem war es nicht de Posch, sondern Mäuser, der ankündigte, ProSiebenSat.1 wolle bei der Konsolidierung des TV-Marktes weiter mitmischen. Größe, meinte er, sei "ein ganz entscheidender Wettbewerbsvorteil".
Auch die Dividende für 2007 in Höhe von 270 Millionen Euro angesichts eines Gewinns von 90 Millionen Euro und eines Schuldenbergs von rund 3,5 Milliarden Euro nach der SBS-Übernahme verteidigte der Aufsichtsrats- und nicht der Vorstandschef. Die Tilgung der Verbindlichkeiten habe keinen Vorrang, sagte Mäuser. "Schuldenrückzahlung ist nicht immer die beste Verwendung." De Posch blieb letztlich nur, die Prognose fürs laufende Geschäftsjahr zu bestätigen. "De Posch wurde in den letzten Wochen und Monaten nur noch rumgeschubst", sagt ein Branchenkenner. Letztlich sei de Posch eben ein "Saban-Mann und kein KKR/Permira-Mann" gewesen, ergänzt ein anderer Kenner der Materie. Ihm habe der "Stallgeruch" gefehlt.
Innerhalb weniger Monate haben damit nun die drei wichtigsten Manager des Konzerns ihren Platz geräumt. De Posch folgt seinen Vorstandskollegen Lothar Lanz und Peter Christmann. Finanzvorstand Lanz hatte im Januar nach elf Jahren im Amt angekündigt, aus persönlichen Gründen aus dem Unternehmen ausscheiden zu wollen. Der für den Vertrieb zuständige Peter Christmann hatte nach einem Gewinneinbruch im ersten Quartal wegen der Umstellung auf ein neues Vermarktungsmodell für die Werbezeiten seinen Hut genommen.
Auf de Poschs Nachfolger könnte noch einiges zukommen. Denn obwohl KKR und Permira zuletzt beteuerten, ProSiebenSat.1 als langfristiges, strategisches Investment zu sehen, schießen die Spekulationen über einen Verkauf ins Kraut. Losgetreten hatte diese Debatte der Chef des Bezahlsenders Premiere, Michael Börnicke. Er hatte im April Interesse am Kauf von Sat.1 angemeldet. Trotz einer deutlichen Absage bekräftigte er erst vergangene Woche seine Ambitionen mit dem Hinweis: "Dinge ändern sich im Zeitablauf."
In den nächsten zwölf Monaten sei ein möglicher Kauf zwar kein Thema, aber danach müsse man sehen, wie die Stimmung sei, meinte Börnicke. ProSiebenSat.1 werde schließlich mehrheitlich von Finanzinvestoren kontrolliert. "Es ist nicht unüblich, dass Investoren über Teilverkäufe nachdenken." Sein Vorstoß sei außerdem mit dem neuen Premiere-Großaktionär News Corp. des Medienmoguls Ruppert Murdoch abgestimmt gewesen, ergänzte Börnicke. In Branchenkreisen gilt dieses Szenario zumindest nicht mehr als absurd. (dpa)
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