ZitatAlles anzeigenMurdoch-Vertrauter soll den verlustreichen Pay-TV-Sender volksnäher machen
Hamburg - Die Nachricht vom Rücktritt Michael Börnickes als Vorstandsvorsitzender des Pay TV-Senders Premiere kam am Mittwochabend um 18.17 Uhr. Doch weil die Börsen bereits geschlossen waren, erschloss sich die Bedeutung dieses Schritts für die Finanzmärkte erst am Morgen danach: Der Aktienkurs legt um knapp fünf Prozent zu. Die Deutsche Bank stufte das Wertpapier von "Hold" auf "Buy" herauf. Unter Anlegern galt der Premiere-Chef offenbar schon seit längerem als Belastung.
Dabei hatte Börnicke seinen Aktionären einiges versprochen: Bis 2012 wollte er die Zahl der Abonnenten von derzeit 3,55 Millionen auf zehn Millionen steigern. Zugleich sollten die Erlöse von derzeit 985 Mio. auf zwei bis drei Mrd. zulegen. Auch den Kauf des Senders Sat 1 hatte er seinen Anlegern in Aussicht gestellt.
Allein die Realität sah anders aus: Zwar gelang es Börnicke im ersten Halbjahr 2008 den Umsatz von 453 Mio. auf 524 Mio. Euro zu steigern. Doch mit den Erlösen wuchs auch der Nettoverlust: von 28 Mio. auf 66 Mio. Euro. Schließlich berichtete Anfang der Woche der "Spiegel" auch noch, Premiere habe die Zahl seiner Abonnenten geschönt. "Bis zu einer Million" Kunden könnten nur "mit gutem Willen als vollwertige Abonnenten gezählt werden". Offiziell hat Börnickes Demission mit der "Spiegel"-Geschichte nichts zu tun. Er sei aus persönlichen Gründen gegangen. Sein Rücktritt, heißt es im Umfeld des Premiere-Hauptgesellschafters Rupert Murdoch, sei "komplett unerwartet" gekommen. Auffällig ist allerdings, dass der für das Abo-Geschäft bei Premiere verantwortliche Vertriebschef Jürgen Müller nur wenige Tage vor Börnicke seinen Hut genommen hatte.
Murdoch war zum Jahreswechsel bei Premiere eingestiegen, wo er nun 25,1 Prozent der Anteile hält. In Branchenkreisen rechnete man damals mit einer schnellen Absetzung Börnickes, der im August 2007 den Vorstandsvorsitz von Georg Kofler übernommen hatte. Mit der Berufung zwei seiner Topmanager in den Premiere Aufsichtsrat zog Murdoch im Juni die Zügel an.
Einer der beiden, Mark Williams, bisher Finanzvorstand für Europa und Asien in Murdochs News Corporation, wird nun Börnickes Nachfolger. Er sei keine Notlösung, heißt es in Sender- und Gesellschafterkreisen. Williams arbeitet seit 1996 für den Medien-Tycoon. In seiner Zeit bei Murdochs Pay TV-Sender Sky Italia hat er die Zahl der Abonnenten verdoppelt. Ähnliches soll er nun bei Premiere bewirken.
Fragt man, wie Williams das bewerkstelligen will, nennt ein Sprecher drei Punkte: Aussperrung von Schwarzsehern durch neue Verschlüsselungssoftware, Sicherung der Bundesliga-Rechte und mehr Wachstum.
Mit dem Austausch der Verschlüsselungssoftware hatte Börnicke bereits begonnen. Mit mehr Exklusivität bei den Bundesligarechten ist nicht zu rechnen, nachdem das Bundeskartellamt die Free TV Berichterstattung von den Spielen der Liga vor 20 Uhr für unantastbar erklärt hat. Und fragt man den Premiere-Sprecher, was er mit dem Punkt "Mehr Wachstum" meine, entgegnet er, das könne man zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht sagen. Im Laufe des Donnerstags gab der Kurs der Premiere-Aktie dann wieder nach. khr
Quelle: Neuer Premiere-Chef muss zaubern - DIE WELT - WELT ONLINE