Was ein vermeintlicher Terrorist, Betrüger oder Kinderpornograf auf seinem Computer gespeichert hat, das interessiert die Polizei sehr. Normalerweise muss sie den Computer beschlagnahmen oder zumindest eine Kopie der Festplatte anfertigen. Das alles geschieht offen und nach Möglichkeit im Beisein des Betroffenen. Seit einigen Jahren nutzt die Polizei aber auch den heimlichen Weg. Ohne die Wohnung zu betreten, verschafft sie sich wie ein Hacker Zugriff auf Computer, die mit dem Internet verbunden sind. So kann sie heimlich prüfen, welche Texte, Bilder und E-Mails auf dem Rechner gespeichert sind
Doch damit ist vorläufig Schluss. Am 25. November hat Ulrich Hebenstreit, Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof (BGH) die Praxis der Online-Durchsuchungen für illegal erklärt. Der Beschluss ist noch nicht veröffentlicht, liegt dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ aber vor. Es handele sich bei den Online-Durchsuchungen „um einen schwerwiegenden Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung“, so der Richter, dem die „notwendige gesetzliche Gestattung“ fehle. Explizit geregelt sind Online-Durchsuchungen bisher nicht. Aber der Bundesanwaltschaft war klar, dass ein so schwerwiegender Grundrechtseingriff eine richterliche Genehmigung erfordert. Die hatte sie bisher vom Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof auch stets bekommen. Doch jetzt hat sich der Wind gedreht.
NRW als Vorreiter
Die bisher genutzte Vorschrift zur Überwachung der E-Mail-Kommunikation (Paragraf 100 a Strafprozessordnung, StPO) genüge nicht, so Richter Hebenstreit, weil „der Kommunikationsvorgang abgeschlossen ist“, sobald die E-Mail auf dem Rechner gespeichert wurde. Auch die Vorschriften über Hausdurchsuchungen (Paragraf 102 StPO) passten nicht. Die Durchsuchung sei eine grundsätzlich auf Offenheit angelegte Maßnahme; wenn der Wohnungsbesitzer abwesend ist, sind Zeugen beizuziehen. Die heimliche Online-Durchsuchung ziele dagegen darauf ab, genau diese Schutzrechte des Betroffenen gezielt zu umgehen.
„Das Bundesinnenministerium hat Online-Durchsuchungen des Bundeskriminalamtes bis auf Weiteres gestoppt“, sagte gestern ein Sprecher von Innenminister Wolfgang Schäuble. Bisher habe das BKA solche Maßnahmen aber nur „in wenigen Fällen“ angewandt. Das aber sollte eigentlich anders werden. Im „Programm zur Stärkung der Inneren Sicherheit“ hatte Schäuble dem BKA erst im Herbst zusätzliche Mittel verschafft, um solche PC-Screenings künftig häufiger durchführen zu können.
In Berlin hofft man nun, dass der BGH seine Rechtsprechung noch ändert. Gegen den Beschluss von Richter Hebenstreit hat Generalbundesanwältin Monika Harms Beschwerde eingelegt, über die ein BGH-Senat entscheidet. Wenn dieser den gut begründeten Beschluss bestätigt, will die Bundesregierung eine gesetzliche Grundlage für Online-Durchsuchungen auf den Weg bringen. In Frage kommt eine Regelung im BKA-Gesetz oder in der Strafprozessordnung.
Die erste gesetzliche Erlaubnis für Online-Durchsuchungen schafft derzeit Nordrhein-Westfalen - für den dortigen Verfassungsschutz. Das entsprechende Gesetz soll in zwei Wochen beschlossen werden.
Wie das Ausspähen der Computer konkret funktioniert, wollen die Fachleute nicht verraten. „Sonst könnten sich die Betroffenen ja darauf einstellen“, so der Sprecher von Innenminister Schäuble. Auf jeden Fall ist das Computer-Screening weitaus komplizierter als das Abhören eines Telefons. Denkbar sind verschiedene Wege. So kann die Polizei versuchen, ein „Trojanisches Pferd“ (Trojaner) auf dem Computer zu installieren. Das ist ein Programm, das heimlich Aktionen auf dem Computer ausführt und Informationen an einen anderen Rechner verschickt, ohne dass der Benutzer dies bemerkt. Auch Sicherheitslücken in Programmen wie Windows könnten von der Polizei genutzt werden. Und wie der Berliner Tagesspiegel berichtet, testet die Schweiz derzeit eine spezielle Spionagesoftware, die sie nur anderen Sicherheitsbehörden zur Verfügung stellen will. Firewalls und ähnliche Schutzmechanismen könnten sich dann nicht auf sie einstellen.
Quelle VON CHRISTIAN RATH, 11.12.06, 13:13h
mfg Randel