ZitatAlles anzeigen[h=1]Entscheidenden Hinweis ignoriert?[/h] Das Thema ist in Deutschland besonders heikel: Bereits seit Monaten wird den Behörden schweres Versagen beim Umgang mit der rechtsextremen Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“ („NSU“) vorgeworfen. Und dann wurde in der Vorwoche noch bekannt, dass im Bundesverfassungsschutz kurz nach Auffliegen der Terrorzelle Akten zu dem Thema in den Reißwolf geworfen wurden.
Das brachte nun offenbar das Fass zum Überlaufen: Montagvormittag wurde bekannt, dass der Chef des Bundesverfassungsschutzes, Heinz Fromm, sein Amt nach den Pannen rund um die Mordserie vorzeitig abtritt. Fromm werde auf eigenen Antrag hin zum 31. Juli in den Ruhestand versetzt, teilte ein Sprecher des deutschen Innenministeriums am Montag in Berlin mit. Ganz freiwillig dürfte der Abgang aber wohl nicht gewesen sein.[h=2]„Persönliches Gespräch“, dann Rücktritt[/h]Wegen der Vernichtung von Akten über Rechtsextremisten war der Verfassungsschutz, der in Deutschland die Funktion eines Inlandsgeheimdienstes hat, in den vergangenen Tagen zum Ziel scharfer Kritik aus allen Parteien geworden. Dem Rücktritt war nach Angaben des Ministeriumssprechers ein persönliches Gespräch Fromms mit Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) vorangegangen. Friedrich habe Fromms Entscheidung zum Amtsverzicht „mit Respekt“ zur Kenntnis genommen.
In der vergangenen Woche war bekanntgeworden, dass Akten mit Informationen über thüringische Rechtsextremisten im November 2011 beim Kölner Bundesamt kurz nach der Aufdeckung der Neonazi-Mordserie vernichtet worden waren. Dadurch war Fromm unter Druck geraten, der Vorgang sorgte für Empörung quer durch alle Parteien. Friedrich hatte die Aufklärung des Vorgangs zugesagt.
[h=2]„Europäische Neonazis“[/h]Zudem berichtet die „Berliner Zeitung“ (Montag-Ausgabe), dass der Verfassungsschutz bereits im März 2003 Hinweise auf ein Netz rechtsextremer Terrorzellen in Deutschland erhalten habe. Die „Berliner Zeitung“ bezog sich dabei auf ein Schreiben des italienischen Inlandsgeheimdienstes AISI an den Verfassungsschutz vom Dezember 2011, in dem auf ein Schreiben von März 2003 verwiesen werde.
Darin sei über ein Treffen europäischer Neonazis berichtet worden, auf dem italienische Rechtsextremisten „bei vertraulichen Gesprächen von der Existenz eines Netzwerks militanter europäischer Neonazis erfahren“ hätten.
[h=2]„Autonome Basis“[/h]Dieses Netzwerk bilde eine „halb im Untergrund befindliche autonome Basis“ und sei in der Lage, „mittels spontan gebildeter Zellen kriminellen Aktivitäten nachzugehen“, zitierte die Zeitung aus dem Schreiben. In einem vertraulichen Zusammenhang seien die Namen mehrerer ranghoher deutscher Rechtsextremisten genannt worden. Aus dem Schreiben der „Berliner Zeitung“ geht außerdem hervor, dass deutsche Neonazis insbesondere aus Bayern und Thüringen seit Jahren enge Beziehungen nach Italien pflegen.
[h=2]Schwere Versäumnisse[/h]Zuletzt war der Bundesverfassungsschutz wegen der Mordserie an neun Einwanderern und einer Polizistin unter Druck geraten. Der rechtsextreme Hintergrund der Taten war erst im November 2011 und nur durch Zufall ans Licht gekommen. Vor allem dem Thüringer Verfassungsschutz werden Versäumnisse und Fehler vorgeworfen.
Vergangene Woche wurde dann bekannt, dass beim Bundesverfassungsschutz kurz nach Aufdeckung des Falles sieben Akten zur sogenannten „Operation Rennsteig“ vernichtet wurden. Ein Referatsleiter der Behörde habe die Zerstörung der Akten just an dem Tag angeordnet, als die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen im Fall der Zwickauer Zelle an sich zog, hieß es in Sicherheitskreisen.
[h=2]V-Leute eingeschleust[/h]Mit der „Operation Rennsteig“ setzten der Bundesverfassungsschutz, der Thüringer Verfassungsschutz und der Militärische Abschirmdienst (MAD) V-Leute auf den „Thüringer Heimatschutz“ (THS) an. Sie wollten Erkenntnisse über die rechtsextreme Gruppierung gewinnen. Dem THS gehörte auch das Zwickauer Neonazi-Trio Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Tschäpe an, die für die Mordserie verantwortlich gemacht werden.
[h=2]Seit 2000 im Amt[/h]Nach einem Bericht der „Bild“-Zeitung ist Fromms Stellvertreter Alexander Eisvogel als Nachfolger im Gespräch. Das SPD-Mitglied Fromm steht dem Bundesverfassungsschutz seit 2000 vor. Auch nach der Ablösung der rot-grünen Koalition beließen ihn die folgenden konservativen Innenminister im Amt. Fromm wird am 10. Juli 64 Jahre alt. Am Donnerstag soll er vor dem Neonazi-Untersuchungsausschuss des Bundestags aussagen.
Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, zollte Fromm als zuverlässigem Mahner und Kämpfer gegen den Rechtsextremismus Respekt. „Diejenigen, die gegen Heinz Fromm die Auflösung der Abteilung Rechtsextremismus beim Verfassungsschutz betrieben haben, müssen sich fragen, welche Mitverantwortung sie für die Geschehnisse tragen“, erklärte er. Das ändere jedoch nichts daran, dass das „System Verfassungsschutz“ grundsätzlich auf den Prüfstand gehöre.
[h=2]Grundlegende Reform gefordert[/h]Der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Fraktion, Volker Beck, erklärte, der Verfassungsschutz habe sein Vertrauen verspielt. Der Verfassungsschutz müsse nun durch Reformen und eine starke demokratische Kontrolle seine Notwendigkeit und seine Fähigkeiten beweisen.
Die Linkspartei sagte, es müsse geklärt werden, warum der Rechtsextremismus so tödlich unterschätzt worden sei. Die FDP betonte, der Rücktritt zum jetzigen Zeitpunkt lasse vermuten, dass mehr hinter der jüngst bekanntgewordenen Aktenvernichtung stecke, als bisher bekannt.
Deutscher Geheimdienst-Chef muss gehen - news.ORF.at
Es ist Zeit mal in den eigenen Reihen aufzuräumen. Ungewöhnlich ist es, dass ganz oben angefangen wird.
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Verbogener