von Karsten Lemm
Das iPhone kann viel mehr, als von Apple vorgesehen. Aber die besten Sachen lernt es erst, wenn man es befreit - mit einem Jailbreak.
Keine Frage: Das iPhone ist begabt. Geschickt bringt es Netzdienste wie Google Maps oder Youtube aufs Handy, und wir ahnen: Das Ding hat Talent. Aber lange hat sich Apple geweigert, das Gerät seine Möglichkeiten ausleben zu lassen. Erst als Hacker immer neue Programme präsentierten, die brave iPhone-User neidisch machten, lenkte Steve Jobs ein: Ab Juni gibt es es auch offiziell Software für das iPhone zu kaufen - unter Apples strenger Aufsicht.
Internettelefonie über das Handy etwa ist nicht vorgesehen. Daran würde Apple ja nichts verdienen. Wer mehr aus seinem iPhone herausholen will, als die vorinstallierte Software hergibt, kommt deshalb nicht darum herum, Apples Fesseln zu sprengen. "Jailbreak" nennt sich dieser Ausbruch im Hacker-Slang. Trotz ihres bildhaften Namens, versichern Experten, ist die Prozedur weit weniger riskant als das "Entsperren" - das Aufheben der Bindung an das Netz von T-Mobile. Entsperrte iPhones können durch Apples Software-Aktualisierungen lahmgelegt werden. Ein Jailbreak dagegen "hat noch nie zu einem toten iPhone geführt", sagt Jonathan Zdziarski, Autor des Buchs "iPhone - Open Application Development". Obendrein sei das inzwischen so simpel, "dass jede Oma das kann".
Nach einem kleinen Eingriff bekommt das iPhone einen geradezu göttlichen Funktionsumfang
Ein Hauch von Abenteuer bleibt dennoch. Zum einen weil das iPhone damit seine Garantie verliert. Zum anderen weil die Vielzahl der inoffiziellen Programme nicht - wie ab Juni die wenigen offiziellen - mit einem Mausklick über iTunes geladen werden können. Stattdessen muss man auf einer Website schauen, welche Anwendungen es gibt und wie sie installiert werden. Ohne Frage aber ist das Angebot an iPhone-Software aus dem Untergrund verlockend - und obendrein fast immer gratis.
Snapture etwa holt aus der iPhone-Kamera, die Apple nur ansatzweise nutzt, wesentlich mehr heraus. Das kostenlose Programm ermöglicht unter anderem Ausschnittvergrößerungen, Selbstauslöser und das Umwandeln in Schwarz-Weiß-Bilder. Flickr-Fans können ihre Werke dann mit Mobile Flickr ohne den Zwischenschritt über den Heimrechner vom iPhone an den Bilderdienst schicken, um sie dem Rest der Welt zu präsentieren.
Dank Mikrofon bietet sich das iPhone theoretisch auch als Diktiergerät an. Vnotes macht genau das möglich: Ein Fingertippen genügt, um die Aufnahme zu starten; eine Anzeige signalisiert, wie laut man sprechen sollte, und am Ende lässt sich die Sprachnotiz sogar per E-Mail verschicken. Das Programm Listen lässt das iPhone genauer hinhören, wenn irgendwo der Klassiker gefragt wird: "Wie heißt eigentlich der Song, der da gerade läuft?" Die Software nimmt einen Fünf-Sekunden-Schnipsel auf, schickt den Mitschnitt an einen Server zur Analyse und meldet - im Idealfall - ein paar Sekunden später Songtitel, Künstler und Albumname.
Wer nicht nur dem iPod lauscht, sondern auch selbst gern Musik macht, kann mit Guitarchords sein Gitarrenspiel verbessern: Das Programm zeigt knifflige Akkordgriffe übersichtlich auf dem iPhone-Display - eine Multimediamerkhilfe für den angehenden Carlos Santana. Pocketguitar wiederum verwandelt das iPhone selbst in eine Gitarre: Auf dem Bildschirm erscheinen Saiten, die sich per Fingerdruck zupfen lassen - eine kreative Art, das berührungsempfindliche Display zu nutzen. "Pianist" kommt auf die gleiche Art Klavierspielern entgegen, indem es auf dem iPhone-Bildschirm ein kleines Keyboard darstellt.