[SIZE="5"]„Wir wussten natürlich, wir können sterben“[/SIZE]
[SIZE="4"]Zehn Tage der Not, der Strapazen, der Verzweiflung, der Todesangst. Und dann endlich: die Rettung![/SIZE]
Bernd Laube (66), pensionierter Mathematik- und Physiklehrer aus Berlin-Neukölln, ist einer der elf Urlauber, die gemeinsam mit ihren acht Führern am 19. September in Ägypten verschleppt wurden. Sonntagnacht kamen sie frei, Montagmorgen landeten die fünf deutschen Ex-Geiseln sicher in Berlin.
Bernd Laube sieht erschöpft aus, als er die Post aus seinem Briefkasten fischt. Seine Finger zittern, er war seit Sonntagabend nicht mehr im Bett. „Ich will nur noch schlafen, mich von diesem Albtraum erholen“, sagt er.
„Wir waren im Südwesten von Ägypten unterwegs, als sie uns mit ihren Gewehren angriffen. Das waren Räuber, die hatten es auf Geld abgesehen. Sie haben uns alles weggenommen. Gepäck, die technische Ausrüstung, mein Walkman und das Kurzwellenradio auch. Dann haben sie uns verschleppt.
Die Kidnapper waren bewaffnet bis an die Zähne. An ihren Militärjeeps hingen Panzerfäuste in Fünferbündeln. Oben auf jedem Jeep war eine Kanone montiert. Jeder Entführer hatte ein Maschinengewehr, eine schwere Pistole und im Ärmel einen Dolch versteckt. Ich weiß nicht, wie viele es waren. Einmal habe ich 40 gezählt, aber es waren sicher mehr.
Wenn unsere ägyptischen Reiseleiter nicht so klug im Umgang mit ihnen gewesen wären, dann hätten die uns bestimmt niedergesiebt. Warum hätten sie uns leben lassen sollen?
Es ist absurd, habe ich oft gedacht, in Berlin leben 3,5 Mio. Menschen und einer davon ist entführt worden – und das bin ich!
60 Grad sind da draußen in der Wüste. Einmal habe ich mich mittags ins Auto gesetzt, weil es so heiß war. Ich dämmere so vor mich hin, da sehe ich auf der Rückbank einen Entführer schlafen. Dann wacht er auf, steigt aus – und lässt sein Maschinengewehr einfach so liegen.
Da denkt man natürlich daran, das Ding zu nehmen. Aber ich bin ja nicht blöd!
Am Sonntagabend, kurz vor unserer Freilassung, wurde es richtig gefährlich. Offenbar hatten unsere Entführer eine Lösegeldübergabe verabredet. 300 km von unserem Lager im Nordsudan weg, schon in Ägypten. Dort hat die sudanesische Armee einen Hinterhalt gelegt, offenbar sechs unserer Entführer erschossen.
Der Rest der Entführer kam zurück ins Lager. Wir lagen in unseren Schlafsäcken, auf einmal sagte einer: ,Los, aufstehen!‘ Der Kopf der Entführer kam auf uns zu. Ich dachte: Jetzt hebt der die Knarre und dann tack, tack, tack!
Und dann sagt er: ,Ihr habt unsere Leute erschossen. Wir erschießen euch nicht. Ihr könnt gehen.‘
Die Flucht war schlimm. Wir mussten alle in einen Jeep: 19 schlotternde Leutchen in einem Toyota! Wir fuhren nachts Richtung Norden, schliefen zwischendurch unter freiem Himmel. Ständig hatten wir Angst, fragten uns: Sind da draußen noch Entführer?
Das Wasser wurde knapp, am letzten Tag hatte jeder von uns noch einen Liter. Essen nicht mehr. Noch zwei Büchsen Corned Beef für 19 Leute. Wir hatten auch kein Werkzeug, keine Ersatzteile. Hätten wir eine Panne gehabt, wären wir verhungert und verdurstet in der Wüste.
Am Montagmorgen sahen wir Zelte auf einer Düne. Leute kamen auf uns zugelaufen, schwer bewaffnet. Wieder diese Angst! Einer von uns rief: ‚Allah ist mächtig!‘ Die stutzten, dann sahen sie unsere Bleichgesichter! Es war ein Camp des ägyptischen Militärs, auch Leute vom deutschen THW waren da. Eine Woche haben die dort auf uns gewartet. Wir waren gerettet! Da ging das Geheule los, vor Glück!
Wir wussten natürlich, wir können sterben. Eine Entführung passiert einmal im Leben, und den meisten Menschen passiert sie ja nie. Mitte Oktober fliege ich für drei Wochen nach Brasilien. Der Flug ist schon bezahlt. Den lass ich nicht verfallen!“