Ausnahmsweise hier ein wenig Politik. Der Urteil ist für mich eine Enttäuschung.
ZitatAlles anzeigen12.09.2012
[h=2]ESM-Urteil aus Karlsruhe Schlappe für die Euro-Skeptiker[/h] Von Roland Nelles und Severin Weiland
Das Bundesverfassungsgericht hat die Klagen der Euro-Gegner abgewiesen und nur einige Auflagen gemacht. Es bekräftigt: Das Haftungslimit beim Rettungsschirm ESM darf nicht ohne deutsche Zustimmung übertroffen werden. Was bedeutet das für die Regierenden in Berlin und Europa? Eine Blitzanalyse.http://www.spiegel.de/artikel/a-748826.html
http://www.spiegel.de/artikel/a-748826.html
Berlin - Die Materie ist hochkomplex, doch für einen Augenblick sorgte sogar der Präsident des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe für Gelächter. Es war der Augenblick, als Andreas Voßkuhle sich versprach und die Anträge der Kläger als überwiegend "begründet" bezeichnete. Es war ein Versprecher, den er umgehend, mit errötendem Kopf, nach einem Hinweis seines Kollegen korrigierte - "unbegründet".
Im Klartext heißt das: Die Kläger, darunter der CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler und die Linken-Fraktion, sind mit ihren Vorbehalten gegen den permanenten Rettungsschirm ESM und den Fiskalpakt vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert. Damit bleibt sich das höchste deutsche Gericht treu - bislang hat es noch keine Euro-Rettungsmaßnahme der Bundesregierung zum Scheitern gebracht. Das Gericht stellte, wie schon bei früheren Euro-Urteilen, aber fest, unter welchen Bedingungen der völkerrechtlich bindende ESM-Vertrag ratifiziert werden kann.
1. Was heißt das Urteil für die deutsche, europäische Politik?Zunächst einmal: Die bereits in Bundestag und Bundesrat verabschiedeten Gesetze zum ESM und Fiskalpakt können vom Bundespräsidenten Joachim Gauck nun bald unterschrieben werden, im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und damit in Kraft treten. Der Ratifizierung wäre damit abgeschlossen, Deutschland wird als letzter Staat der ESM-Mitgliedstaaten Teil des permanenten Rettungsschirms.
Allerdings hat das Gericht die Bundesregierung völkerrechtlich an bestimmte Grundsätze gebunden, die es einzuhalten gilt. So wird die Haftungsobergrenze Deutschlands bei den Rettungsmaßnahmen beim ESM auf rund 190 Milliarden Euro begrenzt. Das Gericht bekräftigt die bestehende Regelung: Ohne Zustimmung des deutschen Vertreters im ESM-Gouverneursrat könne es keine höheren Verpflichtungen geben. Ohne ein ausdrückliches Ja aus Berlin wird es also künftig keine Aufstockung des ESM-Fonds geben können.
Nun ist die Bundesregierung gefragt: Wahrscheinlich werden ihre Juristen noch einmal eine Klarstellung abgeben, die die Vorbehalte des Gerichts berücksichtigt. Möglicherweise wird Gauck noch in dieser Woche die Gesetze unterschreiben.
2. Was bedeutet das Urteil für Angela Merkel?Die Kanzlerin kann aufatmen. Sie hat wesentlich an dem Zustandekommen von ESM und Fiskalpakt mitgearbeitet, sie hat beide geprägt. Ihre Rettungspolitik wurde somit im Grundsatz bestätigt. Eine Ablehnung durch das Verfassungsgericht wäre eine Ohrfeige für sie gewesen, nun kann sie sich innenpolitisch gestärkt fühlen. Auch auf internationaler Ebene ist ihr eine Blamage erspart geblieben. Was hätten wohl die Partner gesagt, wenn der ESM ausgerechnet an den Mahnern und Musterschülern aus Deutschland gescheitert wäre?
Leichter wird die Sache für Merkel nach dem Spruch trotzdem nicht: Schon jetzt sind die Verhandlungen auf internationaler Ebene für die deutsche Seite stets komplex, immer muss der Bundestag eingebunden werden, das unterstreichen auch die neuen Auflagen aus Karlsruhe. Das bindet Kraft und Mühe, führt zu schwierigen Debatten in Deutschland - und in Merkels eigener Koalition. Sie muss sich auch weiterhin für jeden wesentlichen Rettungsschritt in den eigenen Reihen ein Plazet besorgen, ihre Mehrheit organisieren. Angesichts des schwindenen Rückhalts für ihre Krisenpolitik in den eigenen Reihen eine schwierige Aufgabe.
3. Was bedeutet das Urteil für die SPD?Für die SPD ist der Spruch aus Karlsruhe ebenfalls eine Erleichterung: Vor allem die Euro-Pragmatiker in der SPD um Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier werden froh sein. Steinmeier und Co. hatten sich dafür stark gemacht, dass die SPD den ESM unterstützt - was ihnen in den eigenen Reihen auch Kritik eingebracht hatte. Manch einer würde sich eine schärfere Abgrenzung zu Merkels Rettungspolitik wünschen. In etwa so wie sie die Linkspartei betreibt, sie gehörte mit zu den Klägern in Karlsruhe - zusammen mit den früheren SPD-Justizministerin Herta Däubler-Gmelin. Hätten sie sich durchgesetzt wären Steinmeier und seine Getreuen bloßgestellt gewesen.
Ein Grundproblem bleibt den Genossen derweil erhalten: Wie sollen sie sich erfolgreich gegenüber Merkels Kurs abgrenzen ohne den Euro in Gefahr zu bringen? Auf diese Frage haben sie noch keine überzeugende Antwort gefunden. Daran ändert auch der Spruch aus Karlsruhe nichts.
4. Was bedeutet das Urteil für den Bundestag und Bundesrat?Wie schon in früheren Urteilen hat das Gericht ausdrücklich die Mitbestimmung des Parlaments und der Länderkammer gestärkt. Die Frage über den Haushalt zu entscheiden, bleibt weiterhin ein Kernbestand der Verfassung. So hat es dem deutschen Vertreter im ESM auferlegt, seine Schweigepflicht dürfe nicht einer umfassenden Unterrichtung von Bundestag und Bundesrat " entgegentreten".
Ausdrücklich haben die Richter festgehalten, dass Deutschland sich finanzpolitisch stärker an Europa binden darf. Dadurch werde das Budgetrecht des Bundestags "nicht ohne weiteres in rügefähiger Weise verletzt", heißt es im Urteil zum Rettungsschirm. "Für die Einhaltung der Grundsätze der Demokratie kommt es vielmehr entscheidend darauf an, dass der Deutsche Bundestag der Ort bleibt, an dem eigenverantwortlich über Einnahmen und Ausgaben entschieden wird."
5. Wird das Verfassungsgericht die jüngsten EZB-Entscheidungen prüfen?Voraussichtlich ja. Das Gericht hat den Eilantrag des CSU-Politikers Peter Gauweiler zwar abgelehnt, mit dem dieser den ESM stoppen wollte, solange die EZB ihr jüngstes Ankaufprogramm nicht widerrufen hat. Den Ankauf von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank (EZB) werde das Gericht allerdings im Hauptsacheverfahren prüfen, so Voßkuhle. Dann dürfte wohl auch festgestellt werden, ob die neuen, geplanten Milliarden-Anleihenkäufe der EZB - als sogenannte ausbrechende Rechtsakte - über das hinausgehen, wozu die EZB nach den EU-Verträgen ermächtigt ist.
Gauweiler hatte seinen Eilantrag gegen die EZB-Anleihenkäufe, die unter bestimmten Bedingungen in unbegrenzter Höhe erfolgen können, damit begründet, mit der Entscheidung seien im Grunde der ESM und alle anderen Entscheidungen zur Euro-Krise hinfällig geworden. Er nannte die Entscheidung der EZB unter ihrem Präsidenten Mario Draghi eine "Selbstermächtigung zu einem Hyperrettungsschirm".
Das Verfassungsgericht stärkt den Bundestag im ESM-Urteil - SPIEGEL ONLINE
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