Tages-Anzeiger vom 24.03.2007
Agentur SDA wurde Opfer eines Versehens
Die US-Armee hat mutmasslich 24 Stunden lang die Satellitenübertragung der Schweizerischen Depeschenagentur lahm gelegt. Eigentlich wollte sie einen TV-Sender im Irak ausschalten.
Von Philipp Mäder, Bern
«Der Ausfall aller Übertragungen via Eutelsat-Satellit geht auf eine irrtümliche Attacke durch die US Army zurück.» Das tönt wie aus dem Drehbuch von Star Wars. Doch der Satz stammt aus einer internen Mitteilung der grundsoliden Schweizerischen Depeschenagentur (SDA). Diese versorgt normalerweise Zeitungen, Radio- und Fernsehstationen rund um die Uhr mit aktuellen News.
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Doch am 23. und 24. Januar brach der Nachrichtenfluss plötzlich ab. Ein fremdes starkes Signal störte den Satelliten, über den die SDA ihre Meldungen an über 80 Kunden verschickt. Herkunft des Signals: unbekannt. Betroffen war nicht nur die kleine SDA, sondern auch die grosse französische Nachrichtenagentur AFP. Sowie eine ganze Reihe von Fernseh- und Radiosendern, die ihre Programme ebenfalls über diesen Satelliten verbreiten.
USA verwechselten TV-Stationen
24 Stunden später liefen die Agenturmeldungen wieder über den Satelliten. Aber nicht etwa, weil der Störsender seinen Betrieb eingestellt hätte. Sondern weil der Betreiber des Satelliten den Nachrichtenfluss auf eine normal funktionierende Sendeanlage des gleichen Satelliten verschob. Die Störung selbst dauerte noch einige Tage. Die naheliegendste Erklärung dafür schliesst die Nachrichtenagentur AFP aus: Das Störsignal stammte nicht von einer eigenen Satellitenschüssel am Boden, die falsch eingestellt war. Das Signal kam von einem Fremden.
Wer also hat den Satelliten gestört? Die Antwort ist abenteuerlich. Und man muss dazu etwas ausholen: Seit langem ist der irakische Fernsehsender al-Zawraa der US-Armee ein Dorn im Auge. Auf seinen Videos explodieren amerikanische Humvees und schiessen Vermummte ihre Granaten ab: Es sind Anschläge sunnitischer Rebellen auf US-Truppen im Irak. Der Sender lief bis vor kurzem über den ägyptischen Satelliten Nilesat.
Am 21. Januar schrieb die «Washington Post», gestützt auf Mishan al-Jabouri, den Besitzer von al-Zawraa, dieser habe mit dem europäischen Satellitenbetreiber Eutelsat einen Vertrag zur Verbreitung seines TV-Senders abgeschlossen. Innerhalb von 24 Stunden werde dieser zu empfangen sein. Am 23. Januar um 8.45 Uhr fielen die Signale des Eutelsat-Satelliten Hot Bird 8 aus. Und damit konnten die Nachrichtenagenturen SDA und AFP keine News mehr über den Weltraum verschicken.
Entgegen der Ankündigung in der «Washington Post» lief al-Zawraa nie über den Satelliten Hot Bird 8, dafür aber ein anderer irakischer Fernsehsender, der fast gleich heisst: al-Zahra. Dieser wird nicht von Sunniten, sondern von Schiiten betrieben und gilt nicht als extremistisch. Deshalb liegt der Verdacht nahe, die Amerikaner hätten die beiden Fernsehsender verwechselt und den Satelliten gestört, um die Ausstrahlung des Widerstandssenders zu verhindern. Solche Verwechslungen arabischer Namen kommen immer wieder vor (siehe Kasten).
Es war eine «höhere Macht»
Weder der Satellitenbetreiber Eutelsat noch die Nachrichtenagentur AFP wollten sich gestern dazu äussern, was zur Störung auf dem betreffenden Satelliten führte. In einer Stellungnahme gegenüber der SDA, die ihre Satellitenübertragung bei der AFP einkauft, verweist letztere aber auf die wahrscheinliche Verwechslung der beiden Sender durch die Amerikaner. Dies bestätigt Peter Müller, Direktor Marketing und Informatik der SDA. Zudem habe es die AFP abgelehnt, Schadenersatz zu leisten, weil die Störung durch eine «höhere Macht» verursacht wurde, sagt Müller. Auch er schliesst eine Fehlmanipulation durch den Satellitenbetreiber aus: «Dann hätte man davon ausgehen können, dass Eutelsat korrekt informiert und Schadenersatz leistet.»
Nur wenige können Satelliten stören
Nur wenige Militärs sind in der Lage, einen Satelliten von der Erde aus mit Strahlung zu stören - darunter die US-Armee. Es braucht dazu eine grosse Anlage, die eine enorme Energie produziert. Die störende Strahlung muss stärker sein als die Leistung des Satelliten. Die so genannten Jammer gelten im Krieg der Sterne aber noch als verhältnismässig sanfte Waffen, weil sie den Satelliten nicht zerstören. Schaltet der Störsender ab, funktioniert der Satellit wieder normal.
Übrigens: Der irakische Sender al-Zawraa soll vorübergehend tatsächlich über einen Eutelsat-Satelliten zu empfangen gewesen sein. Allerdings erst nach der Störaktion der Amerikaner. Man kann al-Zawraa auch weiterhin schauen: zurzeit über einen Satelliten von Arabsat.
Einstein