ZitatAlles anzeigenDebatte um so genannte „Grundverschlüsselung“ – „Kabelnetzbetreiber tragen nach wie vor erheblich zu Verunsicherung der Verbraucher bei“
Digitalmagazin im Gespräch Michael Gundall, Referent für Telekommunikation und Medien, Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz e.V.Dass die großen Kabelnetzbetreiber die privaten Free-TV-Sender im SD-Format nur verschlüsselt einspeisen, trägt Verbraucherschützern zufolge erheblich zur Verunsicherung der Kabelkunden bei. „Analoges Kabelfernsehen ist sehr einfach: Kabel einstecken, eine Fernbedienung, rund 32 Sender. Digitales Kabelfernsehen ist kompliziert: ein Kabelreceiver, zwei Fernbedienungen, eine Smartcard und einen Zusatzvertrag für die Entschlüsselung, der auch noch einige Fallstricke beinhaltet“, meint Verbraucherschützer Michael Gundall. Die Verschlüsselung sei schlichtweg zu kompliziert – angesichts unterschiedlicher Verschlüsselungssysteme, proprietärer Receiver und undurchsichtiger Preismodelle. „Logisch und transparent für den Verbraucher ist das nicht“, kritisiert Gundall im Digitalmagazin-Interview.
Digitalmagazin: Herr Gundall, Sie haben hinsichtlich der so genannten „Grundverschlüsselung“ bei den Kunden der großen Kabelnetzbetreiber eine „zunehmende Verunsicherung“ festgestellt. Wie ist das aktuelle Stimmungsbild?
Gundall: Analoges Kabelfernsehen ist sehr einfach: Kabel einstecken, eine Fernbedienung, rund 32 Sender. Digitales Kabelfernsehen ist kompliziert: ein Kabelreceiver, zwei Fernbedienungen, eine Smartcard und einen Zusatzvertrag für die Entschlüsselung, der auch noch einige Fallstricke beinhaltet. Als Beispiel Kabel Deutschland: Wie soll ein durchschnittlicher Verbraucher erkennen, dass es sich bei dem Produkt „Kabel Digital“ um den digitalen Kabelanschluss handelt, bei „Kabel Digital Home“ jedoch um ein Pay-TV-Paket? Eine ähnliche Namensgebung, die bei Verbrauchern schon zu sehr viel Verdruss geführt hat. Wer einmal aus Unwissenheit nach Ablauf der kostenfreien dreimonatigen Probenutzung danach für mindestens neun Monate das weiter laufende Pay-TV-Abonnement-Paket zahlen musste, der kündigt in der Regel den kompletten Digitalanschluss zum erstmöglichen Termin. Der Verbraucher nutzt dann in der Regel wieder analoges Kabelfernsehen. Dies ist ein Beispiel, wie die Kabelnetzbetreiber nach wie vor erheblich zur Verunsicherung der Verbraucher beitragen.
Digitalmagazin: Können die Verbraucher nachvollziehen, dass sie für dieselben privaten Programme, die analog frei empfangbar sind, in der digitalen Kabelwelt Mehrkosten zu tragen haben?
Gundall: Nein. Zumal per Satellit – bzw. in einigen Regionen auch DVB-T – die Sender auch in digitaler Qualität frei und unverschlüsselt empfangbar sind. Die Verbraucher unterscheiden grundsätzlich nur zwischen unverschlüsselter und verschlüsselter Übertragung. Verschlüsseltes Fernsehen wird – auch aus der Historie gesehen – mit Mehrkosten verbunden. Ob es sich bei den Mehrkosten jetzt um eine „Servicegebühr“ für die Entschlüsselung handelt oder um Entgelte für Content, ist dem Verbraucher egal. Verschlüsselung ist kompliziert – analoges Kabelfernsehen hingegen ist einfach.
Digitalmagazin: Einige Netzbetreiber – wie etwa Kabel BW oder Netcologne – speisen die Privatsender digital-unverschlüsselt ein – unmöglich ist so etwas also nicht. Warum stellt sich die Situation bei KDG, Unitymedia & Co. dagegen anders dar?
Gundall: Wir können die Situation auch nicht nachvollziehen. Die kleinen und mittelständigen Kabelnetzbetreiber, die die Privatsender relativ wenig beeinflussen können, verschlüsseln nicht und die großen Kabelnetzbetreiber können angeblich nicht unverschlüsselt übertragen. Eine Situation wie bei David und Goliath. Aber der „Kriegsschauplatz“ ist vermutlich ein anderer: Speziell bei KDG und Unitymedia wird die „Grundverschlüsselung“ genutzt, um den direkten Kundenkontakt zu bekommen und um dem Verbraucher weitere Angebote im Pay-TV-Bereich, z. B. „Kabel Digital Home“ oder „Digital TV Highlights“ auf leider nicht immer seriöse Art und Weise zu verkaufen. Bei den kleineren Kabelnetzbetreibern steht wohl eher der Kunde im Vordergrund und bei den größeren Kabelnetzbetreibern wohl eher der Umsatz pro Kunde.Digitalmagazin: Immerhin noch gut 62 Prozent der Kabelzuschauer sehen analog fern, das Kabel ist damit Schlusslicht bei der Digitalisierung. Hemmt die verschlüsselte Einspeisung der SD-Privatsender den Digital-Umstieg?
Gundall: Ja, definitiv! Die Verschlüsselung ist schlichtweg zu kompliziert. Unterschiedliche Verschlüsselungssysteme, kein offener Receivermarkt bzw. proprietäre Receiver und undurchsichtige Preismodelle. So kostet bei Unitymedia ein proprietärer Leihreceiver mit Smartcard 3,90 Euro pro Monat, die Smartcard alleine (z. B. für den IDTV mit DVB-C-Receiver) aber 5 Euro pro Monat. Logisch und transparent für den Verbraucher ist das nicht.Digitalmagazin: Herr Gundall, vielen Dank für das Gespräch.
Quelle: infosat.de