04.11.2014
Über 400 Polizisten haben bundesweit 121 Wohnungen durchsucht, um Boerse.bz lahmzulegen. Die GVU hatte Anzeige erstattet. Die Plattform ist weiter online.
Polizei und Staatsanwaltschaft Köln führten bundesweit Durchsuchungen gegen das Portal Boerse.bz durch. Das gab die Staatsanwaltschaft Köln am 4. November 2014 bekannt. Der Vorwurf lautet auf gewerbsmäßige Verbreitung von urheberrechtlich geschützten Film- und Musikdateien. Beteiligt waren über 400 Polizeibeamte, die insgesamt 121 Wohnungen in 14 Bundesländern nach Beweismitteln durchsuchten. Die Plattform ist weiter online. Die .bz-Domain ist die Länderdomain von Belize.
Bei Boerse.bz seien Kino- und Spielfilme, Musikalben, Software und E-Books über diverse Filehoster rund 2,7 Millionen Nutzern zum kostenlosen Herunterladen bereitgestellt worden. Die Uploader sollen monatliche Gewinne in Höhe von bis zu mehreren Tausend Euro erzielt haben. Die GVU vermutet, dass die Uploader von den Filehostern Provisionen erhalten. Einnahmequellen seien Premium-Accounts und Onlinewerbung.
"Das Ausmaß der illegalen Aktivitäten wurde unter Mithilfe und auf Anzeige der GVU (Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen) sowie der Münchener Medienkanzlei Waldorf Frommer ermittelt", so die Staatsanwaltschaft Köln. Bei den Durchsuchungen seien Computer, Festplatten und eine Vielzahl von CDs und DVDs sichergestellt worden. Über Festnahmen wurde nichts berichtet. Einige der Tatverdächtigen seien kooperationsbereit.
Laut GVU konnten registrierte Nutzer unter 11.231 E-Books, 29.865 Spielen für die Plattformen Nintendo, Playstation, Xbox und PC, 61.776 Kino- und Spielfilmen, 13.560 TV-Serien sowie 15.866 Dokumentationen wählen. Diese Inhalte wurden über Links zugänglich gemacht.
Laut GVU überwachte ein umfangreiches Moderatorenteam die Einhaltung der Board-Regeln. Daneben seien für Boerse.bz mehrere Power-Uploader tätig, die für ein kontinuierlich aktualisiertes Angebot bei Bitshare, Freakshare oder Oboom gesorgt hätten. Anschließend gäben sie die Links zu den Dateien zur Veröffentlichung an Boerse.bz.
Nach Schätzungen von Similarweb wurde Boerse.bz im vergangenen Monat 5,6 Millionen Mal genutzt. 880.240 Seitenaufrufe erfolgten aus Deutschland.
Der Bundesverband Musikindustrie (BVMI) erklärte, dass das Boerse.bz-Nachahmerportal Boerse.to wie das Original bereits 2,5 Millionen registrierte Nutzer und etwa 60.000 Seitenaufrufe täglich habe. Daneben entwickelten sich kontinuierlich weitere Nachahmerportale. Boerse.bz hatte laut GVU Mitte Juli 2014 eine Ländersperre eingerichtet: Nutzer mit einer IP-Adressen aus Deutschland, Österreich und Großbritannien können seitdem nicht mehr auf das Downloadangebot zugreifen. Mindestens bis August/September seien aber dort weiter aktuelle Titel eingestellt worden.
Razzia bei mutmaßlichen Betreibern von Boerse.bz
Die Polizei hat bundesweit mehr als 120 Wohnungen durchsucht, in denen sie Unterstützer des Streamingportals Boerse.bz vermutet. Anders als bei Kinox.to müssen auch Nutzer mit Abmahnungen rechnen.
Die deutschen Strafverfolgungsbehörden greifen hart gegen Betreiber von Raubkopierseiten durch. Am Dienstagmorgen veranlasste die Staatsanwaltschaft Köln Hausdurchsuchungen bei insgesamt 121 Personen in der gesamten Bundesrepublik, die zum Unterstützerkreis der Portale Boerse.bz und Boerse.to gerechnet werden.
Die Portale gehören zu den größten deutschsprachigen Seiten für das illegale Herunterladen von urheberrechtlich geschützten Filmen, Musik und auch E-Books. Insgesamt 2,7 Millionen Nutzer hatten sich laut Angaben der Kölner Staatsanwaltschaft bei Boerse.bz und dem Nachfolger Boerse.to registriert, 300.000 Mal pro Tag surften Nutzer vorwiegend aus dem deutschsprachigen Raum eine der Seiten an.
Die Aktion der Polizei und der Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU) richtete sich diesmal nicht nur gegen die Betreiber der Seiten selbst. Vielmehr stand die Polizei bei denjenigen vor der Tür, die durch das regelmäßige Hochladen der urheberrechtlich geschützten Materialien den Erfolg der Seiten erst möglich gemacht hatten – und die finanziell am Erfolg der Seite beteiligt waren.
Laut Staatsanwaltschaft konnten die erfolgreichsten Uploader dank Beteiligungen an Werbeerlösen und Abogebühren mehrere Tausend Euro pro Monat verdienen.
Die GVU hatte das Verfahren mit einem Strafantrag bereits vor längerer Zeit angestoßen, nun reagierte die Staatsanwaltschaft mit der breit angelegten Aktion gegen die Seiten. Auch die auf Urheberrechtsverfolgung spezialisierte Kanzlei Walldorf Frommer ist an dem Verfahren beteiligt.
"Als Vertreter der Rechteinhaber konzentrieren wir uns bei der Verfolgung auf die primär Verantwortlichen, zu denen insbesondere auch die Personen zählen, die durch ihre täglichen Uploads die Plattformen nähren und am Leben erhalten", kommentierte Anwalt Björn Frommer.
Boerse.bz entstand aus Forum Gulli
Walldorf Frommer hatte bereits in der Vergangenheit Raubkopierer im Auftrag der Rechteinhaber abgemahnt – nun stellen Kommentatoren im Nutzerforum von Boerse.bz die Frage, ob mittelfristig nicht nur die Betreiber und Datei-Bereitsteller, sondern auch die registrierten Nutzer der Seiten ins Visier der Rechteinhaber rücken könnten.
Boerse.bz war ursprünglich aus den Kreisen rund um das Forum Gulli entstanden, das 2008 geschlossen wurde. Nachdem Boerse.bz im Laufe des Jahres 2014 unter Druck der Verfolger geraten war und zuletzt sogar Nutzer aus Deutschland anhand ihrer IP-Adresse blockierte, war der Nachfolger Boerse.to entstanden – angeblich mit besserem Schutz aller Beteiligten vor Verfolgung.
Ob nun mit dem Schlag gegen Boerse.bz auch die Betreiber von der .to-Schwesterseite in die Knie gezwungen wurden, ist noch nicht abzusehen – noch ist die Seite online.
Nutzer müssen Abmahnungen fürchten
Die GVU gab an, dass Boerse.bz und ihr Nachfolger registrierten Nutzern unerlaubt Zugriff auf 11.231 E-Books bzw. E-Book-Kollektionen, 29.865 Spiele für Konsolen und PC, 61.776 Kino- und Spielfilme, 13.560 TV-Serien sowie 15.866 Dokumentationen erlaube.
Anders als bei der in den vergangenen Wochen von den Strafverfolgen angegriffene Streaming-Seite Kinox.to können die Nutzer der Boerse-Seiten nicht nur Filme per Stream schauen, sondern Material aus allen Kreativbranchen auch komplett herunterladen – deswegen können sie laut ersten Einschätzungen nicht einfach auf Straffreiheit hoffen, die die Nutzer von reinen Streaming-Seiten bislang genießen, sondern müssten im Zweifelsfall Abmahnungen fürchten.
"Das Herunterladen geschützter Werke auf offensichtlich rechtswidrigen Portalen ist rechtswidrig", erklärt der Kölner IT-Anwalt Christian Solmecke. Er rät den Nutzern jedoch dazu, nicht direkt in Panik zu verfallen: "Trotz des rechtswidrigen Verhaltens der Nutzer ist fraglich, ob sich die Ermittlungen von GVU und Staatsanwaltschaft überhaupt auf die Nutzer konzentrieren werden. Bislang war die GVU dafür bekannt, sich auf die 'großen Fische' zu konzentrieren."
Solmecke meinte weiter, dass die Ermittler konkrete Downloads nachweisen müssten: "Allein die Tatsache, dass sich Nutzer bei Boerse.bz angemeldet haben, ist noch kein Rechtsverstoß."
Auch der Berliner Medienanwalt Johannes von Rüden warnte vor Panikmache: "Die Schadenersatzansprüche wären in einer überschaubaren Größe anzusiedeln: Anders als beim Filesharing, wo Daten auch anderen Tauschbörsennutzern zur Verfügung gestellt werden, wird beim Download nur eine einseitige Verbindung hergestellt. Rechteinhaber können als Schadenersatz nur den Betrag fordern, den sie auch für einen üblichen Download verlangt hätten. Bei einem Musiktitel wären dies ca. 0,99 Euro, die dann auch noch um die Umsatzsteuer bereinigt werden müssten."
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