[SIZE="4"]Gebt Lothar Matthäus eine Chance[/SIZE]
[FONT="Arial Black"]Sollten sich die Bayern nach der freudlosesten Herbstmeisterschaft aller Zeiten frühzeitig von Trainer Hitzfeld trennen, dürfte es nur einen Nachfolger geben: den Weltmeisterkapitän von 1990.[/FONT]
Natürlich gibt es so vieles, das gegen Lothar Matthäus als Bayern-Trainer spricht. Finanziell wird die sportliche Führungsposition beim deutschen Rekordmeister in der Höhe eines der neidumwitterten Vorstandsvorsitzendengehälter entlohnt. Vom medialen Stellenwert her kann es der Übungsleiter von der Säbener Straße 51 mit der Bundeskanzlerin aus der Willy-Brandt-Straße 1 aufnehmen. Oder wie Bayern-Manager Uli Hoeneß neulich sagte: „Da kann der russische Präsident Putin etwas Wichtiges sagen – doch wenn dann bei uns was passiert, ist das plötzlich wichtiger.“ Kann man für diesen Posten, der unbestreitbar zu den wichtigsten dieser Republik zählt, ernsthaft Lothar Matthäus fordern?
[FONT="Arial Black"]Dampfplauderer vs. Leitwolf[/FONT]
Jenen Zeitgenossen, der in seiner aktiven Fußballer-Zeit als fränkischer Dampfplauderer kaum ein Fettnäppchen ausließ. Der durch seine Formulierungen in der dritten Person („Ein Lothar Matthäus braucht keine dritte Person. Er kommt sehr gut allein zurecht“) komödiantischen Kultstatus erlangte und maßgeblich dazu beitrug, dass der FC Bayern in den 90er-Jahren den Beinamen „FC Hollywood“ erhielt. Zum Beispiel weil der Mannschaftskapitän sein „Geheimes Tagebuch“ veröffentlichte, indem er Interna aus der Bayern-Fraktion verriet und sich darin auf schwülstige Weise gebärdete („Ich sitze am Frühstückstisch und nehme die Zeitung zur Hand. Sofort springt mir die Schlagzeile ins Gesicht `Mehmet Scholl von Frau verlassen´. Mir bleibt das Frühstücksei im Halse stecken. Warum hatte Mehmet nichts davon erzählt?“).
Stets klüngelte Matthäus mit der „Bild“-Zeitung (“Die haben mich halt jeden Tag angerufen“), und im Privatfernsehen präsentierte er einst sein Eigenheim samt neuer Gattin Lolita Morena sowie die modischen Vorlieben („Die Schuhe müssen immer zum Gürtel passen“). Auch auf diplomatischen Parkett machte der Mittelfeldmotor keine gute Figur. Als selbst ernannter Delegationschef des Vereins begrüßte er einmal die Basketballnationalmannschaft der Damen am Flughafen mit den Worten: „Ey, Mädels, unser Schwarzer hat den längsten.“
[FONT="Arial Black"]Hitzfeld vor dem Aus[/FONT]
Kann dieser Mann, dessen kaum zählbare Peinlichkeiten höchstens von der Anzahl seiner 150 Länderspiele übertroffen werden, wirklich für die von Hoeneß gewünschte Ruhe bei den Bayern sorgen? Dass der jetzige Amtsinhaber Ottmar Hitzfeld einen neuerlichen bayerischen Aufschwung verantworten darf, ist nach den Ereignissen der vergangenen Wochen zumindest kaum denkbar. Als Hitzfeld Mitte Oktober – damals war die Welt in Bayern noch in Ordnung – leise mit dem Amt des Schweizer Nationalcoachs liebäugelte, stellte Hoeneß klar, man gehe fest von einer längeren Zusammenarbeit mit dem Trainer aus.
Nachdem sich die mit einem nie dagewesenen Millioneninvestment verstärkten Münchner nach einem dramatischen Leistungsabfall zur vielleicht freudlosesten Herbstmeisterschaft aller Zeiten quälten, spricht der Manager anders. Auf die Frage, ob der derzeitige Trainer für die neue Saison „erste Wahl“ sei, antwortete er geschäftsmäßig: „Hitzfeld ist unser erster Gesprächspartner.“ Sollte die Bayern aber am Mittwoch gegen Aris Saloniki gar das wenn auch kaum vorstellbare Aus im verspotteten Uefa-Cup ereilen, Hitzfeld würde wohl nur noch als „erster Gesprächspartner“ von seiner Entlassung erfahren.
[FONT="Arial Black"]Greenkeeper als Bayern-Trainer?[/FONT]
Die große Frage, die sich derzeit stellt, ist, wer auf den einstmals so genannten „General“ folgen könnte. Qualifizierte Bewerber stehen nicht gerade Schlange. Sonst hätten die Bayern nicht Anfang dieses Jahres nach der Entlassung von Felix Magath auf den früheren Erfolgscoach zurückgegriffen. Renommierte Trainernamen wie Jose Mourinho oder Frank Rijkard kann man als unrealisierbar abschreiben. So muss man sich eher auf dem deutschsprachigen Markt umschauen und hier ein Experiment wagen.
Es gab Zeiten, da schien eine Rückkehr von Lothar Matthäus zu den Bayern ungefähr so wahrscheinlich wie ein Comeback von Oskar Lafontaine bei der SPD. 2003 hatte Matthäus den FC Bayern wegen Unstimmigkeiten über die Einnahmen seines für gemeinnützige Zwecke ausgetragenen Abschiedsspiels verklagt. „Solange ich beim FC Bayern etwas zu sagen habe, wird Matthäus nicht mal als Greenkeeper im Klub arbeiten“, wütete damals Hoeneß.
[FONT="Arial Black"]Erfolgreiche Legenden: Beckenbauer, Cruyff oder Rijkard[/FONT]
Vor gut drei Wochen konnte man andere Töne zu einem Matthäus-Engagement auf der Bayern-Bank vernehmen: „Ich habe gehört, Lothar will ja jetzt einen Trainerschein machen. Dann hat er die Legitimation. Dann werden wir uns sicherlich – anders als in der Vergangenheit – auch einmal mit dem Thema Lothar Matthäus beschäftigen“, sagte Hoeneß und fügte hinzu, man solle niemals nie sagen.
Wahrscheinlich liegt es an den vielen kleinen und größeren Eklats, warum Matthäus noch nicht eine größere Aufgabe als Trainer erhalten hat. Dabei könnte man doch auf eine so offensichtliche Faustregel zurückgreifen: Die großen Weltstars haben auch auf der Bank Erfolg. Der Weltmeister-Kapitän von 1974, Franz Beckenbauer, führte Deutschland als Lichtgestalt gleich noch 1990 zum Titel. Sein Finalkontrahent Johan Cruyff holte nicht nur den ersten Landesmeistercup mit dem FC Barcelona, sein Einfluss wirkt auch heute noch bei den Katalanen nach. Italiens WM-Kapitän von 1982, Dino Zoff, verpasste mit dem Nationalteam nur um Haaresbreite den Gewinn der EM 2000, Brasiliens Spielführer von 1994, Carlos Dunga, darf heute die „Selecao“ leiten, und Didier Dechamps, der 1998 Frankreichs WM-Pokal in Empfang nahm, führte den AS Monaco 2004 ins Champions-League-Endspiel.
[FONT="Arial Black"]Matthäus startet bei SK Rapid Wien[/FONT]
All diese Legenden des Weltfußballs bekamen als erste Station gleich einen größeren Posten zugeteilt. Dagegen liest sich die Vita vom überragenden Spieler der WM 1990 geradezu kümmerlich: SK Rapid Wien, Partizan Belgrad, Ungarn, Athletico Paranese und RB Salzburg. Selbst die ihm unterlegenen Rivalen seiner Zeit bekamen wertvollste Einstiegsgeschenke. Ruud Gullit wurde Spielertrainer beim FC Chelsea, Frank Rijkard bekam den FC Barcelona, und Marco van Basten ist der Bondscoach der Niederlande.
Auch die deutschen WM-Stürmer von 1990 Rudi Völler und Jürgen Klinsmann kamen zu höchsten Weihen und durften die deutsche Nationalmannschaft trainieren. Nur der strategische Mittelfeldspieler und zweimalige Weltfußballer des Jahres Matthäus musste zeitgleich in der sportlichen Provinz Erfahrungen sammeln. Noch wichtiger als die Außendarstellung ist für ein Traineramt aber die fußballerische Kompetenz – und über die verfügt der einst Leitwolf genante wie kaum ein Zweiter. Deshalb sollte die Forderung für eine mögliche Hitzfeld-Nachfolge einzig lauten: Gebt Lothar Matthäus endlich eine Chance!