Sie bekommen wenig Geld, dafür aber jede Menge Tritte und Schläge: Im Amateurfußball haben es Schiedsrichter besonders schwer. In manchen Ligen haben die Unparteiischen längst die Lust am Pfeifen verloren: Sie melden sich frustriert ab oder denken über Boykott-Aktionen nach.
Ein Fußballwochenende im verschlafenen Schwarzwald, eigentlich sieht alles nach einem müden Provinzkick zwischen Fischbach und Weilersbach aus. Kurz vor Schluss ist der Sieg für die Gäste nur noch Formsache. Doch dann wird ein Weilersbacher gefoult und wirft seinem Gegenspieler als Revanche Sand ins Gesicht. Dafür bekommt er von Schiedsrichter Simon Hall die Rote Karte. Der Sünder tippt sich daraufhin kurz an die Stirn - und streckt den Unparteiischen mit einem Kopfstoß nieder.
Hall geht zu Boden und bricht die Partie umgehend ab. Die Attacke auf den Referee ist kein Einzelfall. Auch in Hackenheim (Rheinland-Pfalz), Versmold (Nordrhein-Westfalen) und Bad Oldesloe (Schleswig-Holstein) werden am selben Wochenende Freizeit-Spieler zu Kopfnuss-Kickern: Mal prallt eine Stirn ansatzlos gegen den gegnerischen Schädel, mal nimmt ein Spieler fünf Meter Anlauf für den Kopfstoß, mal kann ein junger Schiedsrichter dem nahenden Frontalangriff gerade noch ausweichen.
Nach vielen Begegnungen zwischen Kreisklasse und Bezirksliga schildern die Spielberichte deutscher Schiedsrichter immer öfter das gleiche Muster: Es beginnt mit einem Fußballspiel - und endet ein paar Minuten vor Schluss mit Gewalt. "Spielabbrüche scheinen im Harzkreis langsam zu einer Gewohnheit zu werden", schrieb die "Magdeburger Volksstimme", nachdem zwei Spieler aneinander geraten waren und auch andere Fußballer auf die Idee kamen, zu rangeln, zu schlagen oder zu spucken. Bei Fußballern im Bezirk Schwarzwald sorgen ständige Spielabbrüche für Aufregung, der vorzeitige Abpfiff von Fischbach war bereits der sechste gewaltbedingte Abbruch in der ersten Saisonhälfte.
Die Bezirkssportfunktionäre sind alarmiert, denn immer öfter verlieren Schiedsrichter das Interesse an ihrem Engagement. Das scheint wenig verwunderlich bei geringer Bezahlung und drohender Prügel. Bereits im vergangenen Winter hatten die Schwarzwälder Schiedsrichter deshalb angedroht, einen ganzen Spieltag zu boykottieren. "Schiedsrichter werden gewürgt und gegen den Kopf gestoßen. Wo soll das noch hinführen?", fragt Bezirksschiedsrichter-Obmann Reinhold Eschle frustriert. Warum die Freizeit-Kicker ausrasten, ist für ihn unklar: "Manche wollen vielleicht eigene Spielschwächen verstecken, sind auf andere Spieler neidisch und wollen sich spektakulär inszenieren", so Eschle.
Die Folgen der Schlägereien treffen den Provinzfußball hart. "Immer mehr junge und talentierte Schiedsrichter hören trotz intensiver Betreuung und geduldiger sowie gefühlvoller Aussprache auf", sagt Eschle. Fünf Schiedsrichter, darunter vier junge Talente, hätten sich in einer einzigen Saison frustriert abgemeldet. Und selbst die älteren, erfahrenen Referees, die in ihrer Jugend selbst gekickt haben und dem Sport treu bleiben wollen, geben immer öfter auf.
Auch die Vereine stehen unter Druck, denn die Flucht der Schiedsrichter kann teuer werden: In dieser Saison müssen einige Schwarzwälder Mannschaften Strafe zahlen, weil sie zu wenige Unparteiische stellen. Der Schiedsrichterausschuss des Südbadischen Fußballverbandes (SBFV) verlangt satte 36.075 Euro an Ausfallgebühren von 61 Fußballvereinen im Bezirk Schwarzwald für die zurückliegende Saison. "Die Vereinsführungen sind gefordert und müssen etwas dafür tun, dass ihre Spieler und Funktionäre sportlicher, fairer und ehrlicher auftreten", fordert Eschle. Wie die Schiedsrichter im Schwarzwald reagieren, ist noch unklar – der mögliche Boykott eines Spieltages soll verhindert werden. "Irgendetwas müssen wir aber tun, bevor das Personalproblem auf den Plätzen eskaliert und niemand mehr pfeifen mag", sagt Eschle.