Wo ist der Unterschied zu Klinsmann?
Nach 90 Minuten Pokal und 180 Minuten Bundesliga hat dem FC Bayern München der spektakuläre Abbruch des "Projekts" Jürgen Klinsmann noch nichts eingebracht. Der Aufbruch ins "Zeitalter" Louis van Gaal gestaltet sich genauso holprig wie Klinsis Start vor Jahresfrist: in die zweite Pokalrunde vorgedrungen, in der Liga nach Unentschieden gegen Hoffenheim und Bremen aber noch sieglos. Vor einem Jahr Zehnter, heute Zehnter: gemessen am eigenen Anspruch des Rekordmeisters steckt er in einer so genannten "Mini-Krise".
Hoeneß' Ankündigung steht
Da hilft nur, sich an Spielabschnitte zu klammern. In Sinsheim - gegen Vorjahres-Halbzeitmeister Hoffenheim - waren es die zweiten 45 Minuten, gegen Bremen die ersten 30. Das ergibt summa summarum immer noch kein ganzes befriedigendes Spiel. Trotzdem hatte Manager Uli Hoeneß nach dem 1:1 zum Liga-Auftakt bereits angekündigt: "Wenn die Mannschaft solche Fortschritte macht wie heute, habe ich das Gefühl, dass wir sehr bald schon vorne weg marschieren."
"Der beste FC Bayern aller Zeiten" ist eine leere Sprechblase
Darauf wartet die Konkurrenz noch. Und noch mehr all jene, die es mit den Bayern halten. Und zu allererst die Bayern selbst. Im Unterschied zum Rest der Liga wollen die Münchner nicht nur immer gewinnen, wenn sie antreten, sondern sie müssen. Deshalb holen sie die - vermeintlich - Besten an die Isar, Jahr für Jahr. Deshalb wird Jahr für Jahr der - vermeintlich - "beste FC Bayern aller Zeiten" ausgerufen, wobei der reine finanzielle Wert der Mannschaft gerne fälschlicherweise mit seiner Qualität für deckungsgleich erklärt wird. Jedes Jahr "den besten FC Bayern aller Zeiten" zu präsentieren, kann gar nicht sein. Da hilft schon der Blick zurück in die 70er Jahre, als drei Mal in Folge der Landesmeister-Cup in die Vereinsvitrine wanderte. Und auch die Champions-League-Siegermannschaft von 2001 war - weil gewachsen - eine Klasse für sich.
Stars wie Zé Roberto und Lucio zu leichtfertig abgegeben
Zé Roberto ergänzte diese ab 2002. Heute trifft er für den Hamburger SV, gegen Dortmund erstmals auch in der Bundesliga. Der tadellose Brasilianer hatte sich - bis auf konstant gute Leistungen - beim FC Bayern nichts zu Schulden kommen lassen. Dem Verein aber war er mit 35 Jahren zu alt, um sich vertraglich erneut zu einigen. Wie nahtlos sich der brillante Techniker bei einem anderen deutschen Spitzenklub schon jetzt einfügt, unterstreicht seine nach wie vor vorhandene Klasse. Und auch Landsmann Lucio hat eine spürbare Lücke ins Abwehrgefüge der Bayern gerissen, Talentförderung an Holger Badstuber hin oder die Wiederentdeckung des Daniel van Buyten her. Ganz zu schweigen vom unterschwellig weiter schwelenden Konflikt, ob denn nun tatsächlich Michael Rensing oder Hans-Jörg Butt zwischen die Pfosten gehört.
Wenigstens ist Gomez gefährlich
Wie gut nur, dass wenigstens Mario Gomez seine Torgefährlichkeit aus Stuttgart konserviert hat. Vorbereitung, Pokal und der Auftritt gegen Bremen beweisen, dass die Bayern derzeit nur einen wirklich gefährlichen Angreifer besitzen - in der Startformation. Denn Ivica Olic trifft zwar gerne gegen Bremen und Wiese, kam aber erst in der zweiten Halbzeit für Miroslav Klose. Der Ex-Bremer tat sich schon in Baku gegen Aserbaidschan schwer, trotz seines Tores. Der inzwischen 31-Jährige befindet sich zum x-ten Male auf Formsuche.
Was wird aus Ribéry und Toni?
Das "Gehirn" und der Motor der Elf, Franck Ribéry, kehrte gegen Werder nach 62 Minuten auf die Bühne zurück. Die Frage bleibt, wie sehr der Franzose nach seinem Beinahe-Transfer zu Real Madrid noch ein Bayer ist. Außerdem war er lange verletzt. Luca Toni, noch vor Jahresfrist unersetzlich erscheinender Tor-Held der Bayern, ist es noch. Ob van Gaal den Weltmeister überhaupt noch gebrauchen kann, steht in den Sternen.
Tymoshchuk eine Klinsmann-Altlast?
Gleiches gilt für Anatoliy Tymoshchuk. Gemessen an den Anstrengungen, die der Klub über viele Monate unternahm, um die Verpflichtung des ukrainischen Superstars in trockene Tücher zu bringen, stellen sich seine bisherigen Spielanteile als Farce dar. Mark van Bommel, der eigentlich um seinen Job hatte fürchten müssen, wird von seinem niederländischen Landsmann van Gaal weiterhin favorisiert, ist Kapitän und Führungsperson geblieben. Kaum verwunderlich, wurde Tymoshchuk doch noch geholt, als Klinsmann an der Säbener Straße für das Einfahren von Punkten zuständig war.