Fußball-Deutschland atmet auf - die Schmach von Cordoba hat sich nicht wiederholt. Mit einem Freistoß-Kracher hat Kapitän Michael Ballack die Hoffnungen der Österreicher auf das «Wunder von Wien» zerstört und die DFB-Elf beim 1:0 (0:0)-Sieg ins EM-Viertelfinale geschossen.
Beim kümmerlichen 1:0-Erfolg gegen den limitierten EM-Gastgeber agierte das Team von Bundestrainer Joachim Löw aber trotz großen Engagements erneut nicht wie ein Titelanwärter und konnte vor 51 428 Zuschauern im Wiener Ernst-Happel-Stadion nur wenig Mut schöpfen für das K.o.-Spiel am Donnerstag in Basel gegen die spielstarken Portugiesen. Ballacks Tor in der 49. Minute wirkte wie eine Erlösung. Sein 25. Länderspiel ging vor allem Löw an die Nerven, der nach einem gemeinsamen Platzverweis mit seinem österreichischen Trainerkollegen Josef Hickersberger 50 Minuten lang auf der Tribüne leiden musste.
Vier Tage nach der Pleite gegen Kroatien bot die deutsche Elf im Endspiel um den Viertelfinal-Einzug eine Leistung, bei der sich Licht und Schatten abwechselten. Die DFB-Auswahl offenbarte Defizite, die nicht darauf hindeuten, dass das große Ziel der «Bergtour 2008» mit dem Titelgewinn erreicht werden kann, und strahlte bisweilen nur wenig Souveränität aus. Löw war auch bei seinem Länderspiel-Jubiläum seiner taktischen Linie treu geblieben und gab den Verlierern von Klagenfurt mit Ausnahme des verletzt zuschauenden Marcell Jansen die Möglichkeit zur Wiedergutmachung. Doch längst nicht alle konnten ihre Chance nutzen.
Der Deckungsverbund mit Arne Friedrich auf der rechten Seite und Philipp Lahm auf links stand recht sicher. Doch ein Schwachpunkt in der Defensive war erneut Christoph Metzelder, der oft zaghaft in die Zweikämpfe ging und gegen Österreichs Ein-Mann-Sturm Erwin Hoffer nicht immer gut aussah. Der 31-Jährige aus Klagenfurt vergab in der 83. Minute mit einem Schuss aus der Drehung die große Ausgleichschance für das Austria-Team.
Die größte Möglichkeit, das Spiel für die deutsche Mannschaft in ruhige Bahnen zu lenken, verpasste bereits in der Startphase Mario Gomez, als ihm der Ball zwei Meter vor dem leeren Tor vom Fuß sprang. Der Stuttgarter wirkte danach noch verkrampfter und muss nun wohl um seinen Platz im Sturm neben Miroslav Klose bangen. Nach einer Stunde Spielzeit holte der Bundestrainer Gomez vom Feld und ersetzte ihn durch Thomas Hitzlsperger.
Selbst Ballack war auch beim dritten Turnier-Auftritt lange Zeit nicht der erhoffte Kopf in der Schaltzentrale. Doch als es darauf ankam, übernahm der Kapitän Verantwortung und brachte die DFB- Auswahl mit seinem 37. Tor im 84. Länderspiel auf Siegkurs. Auffälligster Akteur in Reihen des dreimaligen Europameisters war indes einmal mehr Lukas Podolski. Der Münchner war stets anspielbar und suchte auch selbst den Abschluss. Nach Gomez' Auswechslung rückte er neben Klose in den Sturm.
Fünf Minuten vor der Pause wurde auch bei beiden Trainern die ungeheure Nervenanspannung deutlich. Nach einem kurzen Disput im Anschluss an einen Freistoß für Deutschland wurden Löw und Hickersberger vom spanischen Referee Manuel Enrique Mejuto Gonzalez auf die Tribüne verwiesen. In der Halbzeit mussten Co-Trainer Hans- Dieter Flick und Teammanager Oliver Bierhoff dem Team die Anweisungen geben.
Das proppenvolle Stadion war ganz in das leuchtende Rot der österreichischen Fans getaucht, doch auf dem Rasen setzte die traditionell in Weiß und Schwarz gekleidete deutsche Elf den ersten Akzent. In der 5. Minute setzte sich Klose im Strafraum energisch gegen Martin Hiden und Emanuel Pogatetz durch, doch Gomez konnte die flache Hereingabe des Münchners aus zwei Metern Entfernung nicht über die Linie drücken, weil ihm der Ball vom Fuß sprang. Ein frühes Tor hätte für die deutsche Elf vieles leichter gemacht, denn allmählich wurden die Gastgeber mutiger. Löws Abwehr hinterließ dabei nicht immer den sichersten Eindruck. So musste Jens Lehmann gegen Österreichs einzige Spitze Erwin Hoffer auf der Hut sein (19.).
Erst Podolski machte die 8000 bis 10 000 deutschen Anhänger auf den Rängen wieder munter. Mit einer tollen Parade verhinderte Österreichs Keeper Jürgen Macho das vierte Turniertor des Münchners, der aus gut 20 Metern flach abgezogen hatte (24.). Zwei Minuten später übersah Gonzalez einen Schlag von Rene Aufhauser ins Gesicht Podolskis, der eine Rote Karte für den Spieler von Red Bull Salzburg hätte nach sich ziehen müssen.
Vier Minuten nach Wiederbeginn legte Ballack mit einem tollen Freistoßtor den Grundstein zum Einzug ins Viertelfinale. Nach Foul von Andreas Ivanschitz jagte der Kapitän den Ball aus knapp 25 Metern mit Wucht in den Torwinkel. Danach entlud sich die ganze aufgestaute Aggression auf dem Rasen in befreitem Jubel. Doch in der Schlussphase musste noch einmal gebangt werden, als sich die Österreicher mit Macht gegen die drohende Niederlage stemmten. Zwei Minuten vor Schluss vergab Klose das mögliche 2:0. Am Ende durfte aber auch Bundeskanzlerin Andrea Merkel auf der Tribüne strahlen.