Mit seinem Wutausbruch gegenüber Ottmar Hitzfeld nach dem Uefa-Cup-Spiel gegen die Bolton Wanderers hat sich Bayern Münchens Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge letztlich nur selbst geschadet. Denn wenn es dem 58-jährigen Trainer beim Rekordmeister zu turbulent wird, wechselt er im Sommer 2008 als Nationaltrainer in die beschauliche Schweiz.
[SIZE="1"]Wutausbruch am Donnerstagabend: Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge[/SIZE]
Draußen im luxuriösen Bus wartete auf ihn zur Frühstückstunde seine Mannschaft, drinnen im Pressestüberl schwang sich Bayern Münchens Trainer Ottmar Hitzfeld am Freitag noch schnell auf das Podium, grinste kurz und fast wäre seine lässige Eröffnung im allgemeinen Zurechtrücken der Fernsehkameras, Mikrofone und Schreibblöcke untergegangen. Sie lautete: „Wer eröffnet jetzt das Feuer?“
Hitzfeld (58) war also darauf vorbereitet, dass er wenige Minuten vor der Abfahrt zum Auswärtsspiel nach Stuttgart noch schnell etwas Unangenehmes zu erledigen hatte. Was weniger an dem vorabendlichen 2:2 (1:1) im Uefa-Cup-Gruppenspiel gegen die Bolton Wanderers an sich lag, als vielmehr an den anschließenden Äußerungen von Karl-Heinz Rummenigge. Der Vorstandschef des Rekordmeisters, der sich beim Verlassen der Münchner Arena nur zu gern hatte aufhalten lassen, um sich fürchterlich über die Aufstellung, Ein- und Auswechslungen, also in aller Öffentlichkeit über Bayern-Trainer Hitzfeld aufregen zu können.
Rummenigge schimpfte wie ein Vertreter der Basis
Dabei war der 52-Jährige als echauffierter Kundenbetreuer aufgetreten und hatte wie ein Vertreter der Basis geschimpft: „Wenn man zu so einem Spiel 66.000 Zuschauer ins Stadion bringt, haben die ein Recht auf die beste Mannschaft und nicht auf irgendetwas anderes. Fußball ist nicht Mathematik. Ich sage nicht, wen ich dafür kritisiere. Ich sage nur: Ich bin stocksauer.“ Sekunden später hat Rummenigge dann zur Beschreibung seines Gemütszustandes noch einmal das Wort „stocksauer“ benutzt, nämlich als er explizit auf die Auswechslungen von Doppeltorschütze Lukas Podolski (57.) und Franck Ribery (61.) angesprochen wurde. „Die beiden haben Extraklasse gespielt“, moserte er, „aber leider nur 65 Minuten.“
Jetzt also sollte sich der studierte Mathematiker Hitzfeld öffentlich wehren. Freilich sagte er dabei nichts, was die Lage ernster hätte machen können, als sie bei nunmehr 24 Pflichtspielen ohne Niederlage in Folge ohnehin nicht ist. Aber Reaktionen wie „Ich hoffe, dass ich das Fußball-Einmaleins kann“, oder „Ich konzentriere mich auf meine Aufgaben als Fußballlehrer“ dürfen getrost als Zeichen für Unmut und Unverständnis gedeutet werden. Und sie sind ohne Frage auch als leichte Verstöße gegen das eherne Hitzfeld-Gesetz anzusehen, das er selbst noch einmal vorbrachte: „Generell möchte ich Aussagen des Vorstandes nicht kommentieren.“
"Wir müssen in Stuttgart ein Zeichen setzen"
Hitzfeld verteidigte schließlich seine Personalentscheidungen, die er getroffen hatte, weil er eben die innerhalb von nur 44 Stunden stattfindenden Spiele gegen die Bolton Wanderers und beim VfB nicht getrennt, sondern wechselwirksam miteinander verknüpft sieht. „Ich habe aus Vernunftgründen so gehandelt“, erklärte er die teils heftigen Rotationen mit dem Spielermaterial, „denn wir müssen auch in Stuttgart versuchen, ein Zeichen zu setzen.“
Wofür unter anderem die Rückkehr der geschonten Stammkräfte Philipp Lahm, Martin Demichelis, Ze Roberto und Luca Toni sorgen soll. Und eben auch ein Lukas Podolski, der nach sieben Monaten ohne Pflichtspieltor endlich wieder getroffen hatte, zum 1:1 (30.) und 2:1 (49.), und wohl statt Miroslav Klose gegen Stuttgart spielen wird. „Ich habe das intuitiv entschieden und ihn deshalb vorzeitig ausgewechselt“, sagte Hitzfeld, dem weniger durch das 0:1 durch Ricardo Gardner (8.) als vielmehr durch den späten Ausgleich durch Kevin Davies (82.) das optimale Ergebnis verwehrt worden war. Also einmal Intuition und von wegen alles Mathematik, von wegen alles „Omega-Wave“. Dieses aus den Vereinigten Staaten stammende, Computer gesteuerte Kontrollsystem, wurde erst im Sommer beim FC Bayern eingeführt. Das aktuelle Leistungspotenzial des einzelnen Spielers wird mehrmals pro Woche überprüft. Dabei wird das Blut der Spieler analysiert, um damit Rückschlüsse auf die Belastbarkeit ziehen zu können. Die Ergebnisse haben großen Einfluss auf die Aufstellung der Startformationen gerade in den anstrengenden englischen Wochen.
Mit Auswechslungen angreifbar gemacht
Sicherlich hat sich Hitzfeld durch die überplanmäßigen Auswechslungen angreifbar gemacht, sicherlich ist Rummenigges Erregung nachvollziehbar – die Diskussion hätte, wie von Mark van Bommel richtig bemerkt, allerdings intern geführt werden müssen. Letztlich hat der Vorstand mit seinem Vorstoß so wohl am ehesten sich selbst geschadet.
Wer den „perfekten Trainer für den FC Bayern“ (Rummenigge) nach einem harmlosen Remis in einem Uefa-Cup-Gruppenspiel so heftig attackiert, muss sich nicht wundern, wenn Hitzfeld den FC Bayern schon bald nicht mehr als seine perfekte Zukunft vor sich sieht. „Ich bin Sturm erprobt“, hat Hitzfeld gestern noch einmal Wogen glättend gesagt, und zu einem möglichen Engagement als Schweizer Nationaltrainer nur, dass ihm das derzeit noch ein bisschen zu viel „Freizeit und Golfspielen“ wäre. All zu viele künstliche Stürme sollte Rummenigge nicht mehr provozieren. Die ruhige Schweiz wartet.